"Keine Wunderlösung", aber innovative Ansätze
"Keine Wunderlösung", aber innovative Ansätze

Drei Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine ruft UNHCR weiterhin alle Staaten dazu auf, ukrainischen Flüchtlingen weiter Zugang zu ihren nationalen Staatsgebieten zu gewähren und niemanden gegen seinen Willen zurückzuschickenLink is external. Unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrer Herkunftsregion müssen alle aus der Ukraine fliehenden Personen einen Antrag auf Schutzstatzus S stellen können und diesen bei Erfüllung der Voraussetzungen erhalten, ohne Diskriminierung fürchten zu müssen. Dies gilt insbesondere für Personen der ethnischen Gruppe der Roma.
In der Schweiz haben alle aus der Ukraine geflüchteten Personen mit Schutzstatus S Zugang zu den spezifischen Integrationsmassnahmen des “Programms S”, das von den Behörden eingerichtet wurde. Allerdings können gewisse Roma-Flüchtlinge aus der Ukraine besondere Bedürfnisse und Vulnerabilitäten haben, insbesondere Personen aus Transkarpatien, einer Region in der Westukraine an der Grenze zu Rumänien, Ungarn und der Slowakei. In diesen Personengruppen besteht eine hohe Analphabetenrate, und sie sind oft bereits in ihren Herkunftsländern wie auch auf dem Fluchtweg von Diskriminierung betroffen.

Spezifische Massnahmen
Wie kann man auf diese besonderen Herausforderungen reagieren? Zunächst stützten sich die Kantone auf bestehende Systeme für Personen mit erhöhtem Betreuungsbedarf. In der Folge wurden auch spezifische Massnahmen aktiviert, insbesondere im Bereich der interinstitutionellen Koordination und der interkulturellen Vermittlung. Der Kanton Zürich richtete beispielsweise eine aus verschiedenen kantonalen und kommunalen Stellen zusammengesetzte Ad-hoc-Arbeitsgruppe für die Aufnahme von Roma-Flüchtlingen aus der Ukraine ein, um den Dialog und den Informationsaustausch zu erleichtern.
In Genf wurden andererseits unter der Verantwortung des Hospice Générale mehrere Aktivitäten zur Förderung des Zusammenlebens durchgeführt. Es enstanden Präventions- und Sensibilisierungsworkshops zu den Themen Gesundheit und Hygiene sowie ein «Kinderbereich» für die Organisation von spielerischen und erzieherischen Aktivitäten. «Dieser Bereich wurden von den Roma-Kindern stark frequentiert und war auch ein Mittel, um eine Beziehung zu den Eltern aufzubauen», erklärt Valérie Nese vom Hospice Générale.
Interkulturelle Vermittlung
Die Ankunft von Roma-Flüchtlingen hat auch einige zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte von Roma einsetzen, wie die Roma FoundationLink is external und Opre RomLink is external auf den Plan gerufen. Die beiden Vereine engagieren sich dafür, die Behörden bei der Betreuung von Roma-Flüchtlingen aus der Ukraine zu unterstützen. Durch den Einsatz von Fachkräften mit derselben Sprache und demselben ethnischen Hintergrund wie die Flüchtlinge kann eine Vertrauensbasis geschaffen werden.
Die Kantone Zürich und Waadt setzen ebenfalls auf kulturelle Mediation. Sie hilft, die vermittelten Informationen besser an die Familien weiterzugeben, die sich in einer prekären Lage ausserhalb ihres soziokulturellen Kontexts wiederfinden. «Die Unterstützung der Mediator*innen hat den Unterschied ausgemacht. Das wurden von den Familien und den Gemeinden sehr geschätzt und die Situation hat sich dadurch», erklärt Sabina Widmer, Mitarbeiterin der Fachstelle Integration des Kantons Zürich. Die Themen, mit denen sich die interkulturellen Vermittler*innen befassen, können von Kindererziehung über Gesundheit bis hin zum alltäglichen Zusammenleben reichen. Zudem können sie in Schulen oder Gemeinschaftsunterkünften intervenieren, um das Bewusstsein für rassistische und diskriminierende Vorfälle und Diskurse gegenüber Roma zu schärfen. Véra Tchérémissinoff, Leiterin des Vereins Opre Rrom, sagt: «Es gibt keine Wunderlösung, aber mit der Zeit kann man dank der Mediation konkrete Ergebnisse sehen».
"Die Schulungstage sind ein erster Schritt, um die Gründe zu verstehen, warum diese Menschen nicht in die Schubladen des Systems passen."
Ein notwendiges Bewusstsein
Bei der Ankunft neuer Flüchtlingsgruppen ist es wichtig, dass Lehrkräfte und Sozialarbeiter/innen den historischen und kulturellen Hintergrund der Herkunftsländer und -regionen dieser Menschen zu verstehen lernen. NCBI SchweizLink is external bietet ein Praxiskurse für die Begleitung verschiedener Flüchtlingsgruppen an, darunter auch für die Integration und Betreuung von Roma-Flüchtlingen aus der Ukraine.
«Wir erkennen, dass lokale Behörden und Fachpersonen falsche Informationen oder Stereotypen haben können. Während der Ausbildungstage unterstützen wir ihre Bewusstseinsbildung», erklärt Stefan Heinichen, Referent in der Weiterbildung bei NCBI Schweiz und Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.
Opre Rrom organisierte in Zusammenarbeit mit dem Établissement Vaudois d'Accueil des Migrants einen Schulungstag. Dieser richtete sich an Fachkräfte, die mit Roma-Familien arbeiten, welche Schwierigkeiten mit der Kommunikation oder dem Zusammenleben in den Kollektivunterkünften haben. «Die Schulungstage sind ein erster Schritt, um die Gründe zu verstehen, warum diese Menschen nicht in die Schubladen des Systems passen. Wir hoffen, dass mit dem Einsatz der interkulturellen Mediatorinnen und Mediatoren die Begleitung im Alltag erleichtert wird», erklärt Sandra Faria Costa, Leiterin des Pôle Social bei EVAM.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier in unserer Vertiefungsnotiz.