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Ein neuer Anfang dank Resettlement

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Ein neuer Anfang dank Resettlement

11 Juni 2018 Auch verfügbar auf:
Die Freundschaft zwischen Bushra, 34, und Shaymaa, 30, begann an einer Strasse, die sie von Syrien in den Libanon führte. © UNHCR/Susan Hopper

Die Freundschaft zwischen Bushra, 34, und Shaymaa, 30, begann an einer Strasse, die sie von Syrien in den Libanon führte. Damals reisten die beiden Frauen alleine, inmitten von Familien, die für die Aufnahme in das Resettlement-Programm der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen ausgewählt worden waren. Sie beobachteten sich gegenseitig und kamen ins Gespräch, als der Bus eine kurze Pause machte. „Ich war noch nie allein gereist und wie gelähmt vor Angst vor diesem Neuanfang in einem unbekannten Land“, erinnert sich Bushra, eine junge chaldäische Katholikin, die mehrere Jahre ihres Lebens in einem Kloster verbracht hat.

„Ich war noch nie allein gereist und wie gelähmt vor Angst vor diesem Neuanfang in einem unbekannten Land.“

Bushra, eine chaldäische Katholikin, denkt an den Anfang ihrer Reise in die Schweiz im Rahmen eines Resettlement-Programms zurück.

 

Shaymaa ist dagegen Sunnitin und hatte sich in Bagdad für die Verteidigung der Menschenrechte engagiert. Die stolze, mutige Frau weigerte sich, einen Schleier zu tragen wie ihre Mutter, trotz aller Einschüchterungsversuche. Beide mussten aus ihrem Land fliehen, weil ihr Leben durch den rasch zunehmenden Einfluss der Fundamentalisten bedroht war. Die erste Station ihrer Flucht war die syrische Hauptstadt Damaskus.

Als alleinstehende, gebildete junge Frauen im Exil in Damaskus, aber auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit bzw. einer Menschenrechtsorganisation, waren beide gefährdet, zur Zielscheibe von Verfolgung zu werden. Diese Risiken rechtfertigten ihre Aufnahme in ein Resettlementprogramm. So wurde ihnen die – für viele Flüchtlinge allzu seltene – Aussicht angeboten, sich im Rahmen eines solchen Programms in einem anderen Land ein neues Leben aufbauen zu können.

 

 

Die Resettlement-Programme sind für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge bestimmt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in ihr Herkunftsland zurückkehren noch sich dauerhaft in ihrem ersten Zufluchtsland niederlassen können. Ebenso wie Zehntausende Menschen, die in der Vergangenheit im Rahmen solcher Programme umgesiedelt wurden, wurden Bushra und Shaymaa zunächst aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit als alleinlebende Flüchtlingsfrauen in Syrien für die mögliche Aufnahme ausgewählt. Ihre Akten wurden dann vom Staatssekretariat für Migration und vom Nachrichtendienst des Bundes beurteilt, bevor ihnen eine dauerhafte Aufnahme in der Schweiz angeboten wurde.

Dank dieses Programms wurde aus den paar Stunden gemeinsamer Fahrt eine lang währende Freundschaft. Beide sind im Dezember 2015 in der Schweiz gelandet, mit der Gewissheit, schnell den Flüchtlingsstatus zu erhalten. Nach ihrer Ankunft wurden sie gleich in ein Pilotprogramm für die Integrierung von Resettlement Flüchtlingen aufgenommen und konnten insbesondere von der Betreuung durch einen spezialisierten Coach, der für den Kanton arbeitet, profitieren.

Ausser einer Einführung in die Besonderheiten der regionalen Kultur konnten sie durch dieses Integrationsprogramm auch an Sprach- und Computerkursen und verschiedenen Treffen teilnehmen und eine Orientierungshilfe in Anspruch nehmen. Ferner erhalten die Flüchtlinge dank der Entwicklung von Partnerschaften mit lokalen Organisationen einen leichteren Zugang zu Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Ähnliche Programme gibt es inzwischen in allen 26 Schweizer Kantonen.

 

„Ich träume davon, dass mehr Menschen einen Platz in einem Resettlement-Programm erhalten und sie sich nicht auf eigene Faust auf eine so gefährliche Reise begeben müssen.“

Shaymaa ist sich bewusst, dass sie im Gegensatz zu vielen Zurückgebliebenen Glück gehabt hat.

 

In praktischer wie menschlicher Hinsicht bieten diese Integrationsmassnahmen den neuangesiedelten Flüchtlingen eine wertvolle Unterstützung. „Um unser erstes Jahr in der Schweiz zu feiern, sind wir mit unserem Coach und unserem Sprachlehrer ausgegangen, um ein Käsefondue zu essen“, erinnert sich Bushra. Dies bringt ein wenig Wärme in die kalten Wintertage – und erleichtert die oft so schwierige Aufgabe, sich ein neues Leben weit weg von der Familie aufbauen zu müssen und sich mit einer unbekannten Sprache und Kultur vertraut zu machen.

Der Weg, der es ihnen erlaubt, sich in der Schweiz einzuleben, wird nicht immer geradeaus gehen. Aber beide wissen, dass sie sich bei der Bewältigung dieser Etappen aufeinander verlassen können – so wie sie es seit ihrer Begegnung an jener Bushaltestelle tun. Zunächst müssen sie noch besser Französisch lernen, doch für ihre Zukunft hegen beide viele Träume: Bushra möchte ihr kaufmännisches Diplom anerkennen lassen, damit sie im Bankensektor oder im Verkauf arbeiten kann. Shaymaa ist ausgebildete Grundschullehrerin und wünscht sich eher eine Stelle in der Buchhaltung oder bei einer Nichtregierungsorganisation.

 

 

Beiden ist bewusst, dass sie im Vergleich zu den vielen Familienangehörigen und Freunden, die in ihrer Heimat geblieben sind oder gezwungen waren, sich zu einer gefährlichen Reise auf dem Landweg und über das Meer aufzumachen, viel Glück hatten: „Ich träume davon, dass mehr Menschen einen Platz in einem Resettlement-Programm erhalten“, erklärt Shaymaa, „und sie sich nicht auf eigene Faust auf eine so gefährliche Reise begeben müssen“ – die sie häufig teuer bezahlen, manchmal sogar mit ihrem Leben. Dieses Glück finden sie auch in der neuen Freiheit, die ihnen die Schweiz bietet, nämlich zu denken, zu reisen und ein Privatleben zu haben: „Im Irak tritt kaum jemand für die Rechte der Frauen und Kinder ein. Die Frau besitzt keinen echten Status, solange sie nicht Mutter ist“, erklärt Shaymaa. Sie schätzt es ausserdem, ohne die tägliche Angst vor Verurteilung und Beleidigungen leben zu können, was sie gerne den „bilateralen Respekt der Schweiz“ nennt.

Nach der Zukunft gefragt, können sich beide Frauen diese nur gemeinsam vorstellen. „Manchmal, wenn ich durch die Strassen gehe und zwei ältere Personen sehe, eine kleinere und eine grössere, sage ich zu Bushra: ‹Sieh mal, so werden wir später sein›“, erzählt Shaymaa mit einem Lächeln.

So beginnen Shaymaa und Bushra trotz der schmerzlichen Trennung von ihren Herkunftskulturen und ihren Familien – und trotz der Änderung ihrer ursprünglichen Lebensplanung – das Schweizer Kapitel ihres Lebens mit einer Gewissheit: Dass sie, was die Freundschaft betrifft, bereits ‹ihre bessere Hälfte› gefunden haben.


Die Wiederansiedlung, auf Englisch Resettlement, erlaubt es einigen besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, aus einem ersten Zufluchtsland – das im Allgemeinen in der Nähe der Konflikt- und Verfolgungsgebiete liegt – direkt in ein sicheres Land umgesiedelt zu werden, das bereit ist, sie aufzunehmen und wo sie bessere Aussichten auf Integration haben. Das UNHCR schätzt, dass mehr als eine Million Flüchtlinge weltweit einen Resettlement-Platz benötigen. In Ermangelung ausreichender Kontingente kann derzeit nur 1 % von ihnen einen solchen Platz erhalten.

Das gemeinsam mit dem Staatssekretariat für Migration und dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) entwickelte Resettlement-Programm Schweiz dürfte es ermöglichen, zwischen 2013 und 2019 insgesamt 3.500 Flüchtlinge aufzunehmen.

Mehr Informationen in unserer Broschüre zum Resettlement-Programm Schweiz.