Ein sicherer Hafen für geflüchtete Jugendliche
Ein sicherer Hafen für geflüchtete Jugendliche
„Kunst befreit den Geist“, sagt Jeremy, einer von rund dreissig unbegleiteten asylsuchenden Kindern (UMAs), die in der kantonalen Unterkunft „PHC les Augustins“ in Genf leben. Er ist einer der Jugendlichen, die kürzlich an einem besonderen Kunstprojekt in Zusammenarbeit mit der Anouk Foundation teilgenommen haben. Die im April 2024 eröffnete Unterkunft im Herzen eines Genfer Wohnviertels bietet diesen jungen Menschen nicht nur ein sicheres Dach über dem Kopf, sondern auch eine unterstützende Gemeinschaft.
Weltweit sind Kinder besonders stark von Flucht und Vertreibung betroffen und stellen mehr als 40 Prozent der Flüchtlinge und Staatenlosen dar. Diejenigen, die ohne ihre Eltern fliehen mussten, sind besonders gefährdet, da sie oft allein und schutzlos sind. Diese Kinder haben häufig vor und während ihrer Flucht traumatische Erfahrungen gemacht. Umso wichtiger sind kindgerechte Räume, in denen sie sicher spielen, lernen und psychologische Unterstützung erhalten können. Solche Orte helfen ihnen, soziale Netzwerke zu bilden und Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen des Alltags zu entwickeln.
Eine Umgebung, die Halt gibt
„Les Augustins“ bietet Platz für 56 Jugendliche, die in Zwei- oder Dreierzimmern untergebracht sind. Der Betreuungsschlüssel von 1 zu 4 ermöglicht eine enge und individuelle Begleitung, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Jugendlichen eingeht. Diese intensive Betreuung ist entscheidend für die junge Menschen, die oft Erfahrungen von Gewalt, Ausbeutung und Vernachlässigung hinter sich haben.
Regelmässige gemeinsame Aktivitäten tragen zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls bei. Ein Beispiel dafür ist das wöchentliche Kochen am Mittwoch, bei dem die Jugendlichen Gerichte aus ihren Heimatländern zubereiten. Darüber hinaus wird die Integration in die Nachbarschaft und die Teilhabe am städtischen Leben aktiv gefördert. Freizeitaktivitäten und Sportangebote sind feste Bestandteile des Programms, das den Jugendlichen Raum gibt, ihre Kindheit trotz der belastenden Erlebnisse zu leben.
Die heilende Kraft der Kunst: Das Projekt der Anouk Foundation
Besonders eindrucksvoll sind die farbenfrohen Wandmalereien, die die Flure und Gemeinschaftsräume von „les Augustins“ schmücken. Die Anouk Foundation hat in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und dem Betreuungsteam lebendige Kunstwerke erschaffen, die weit mehr als blosse Dekoration sind. Zwei Wochen lang setzten sich die Jugendlichen intensiv mit den Malereien auseinander und gestalteten sie aktiv mit. Die Werke erzählen Geschichten von Zusammenhalt, Hoffnung und Resilienz – genau jene Werte, die den jungen Menschen in ihrem Integrationsprozess in ihrer neuen Heimat Kraft geben sollen.
Das Kunstprojekt wurde von Alex und Ani, zwei Mitarbeitenden der Anouk Foundation, geleitet. Beide unterstreichen die Bedeutung von Kunst für die psychische Gesundheit: „Der künstlerische Prozess hilft den Jugendlichen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, und schafft gleichzeitig einladende und kinderfreundliche Räume“, erklärt Ani. „Die Jugendlichen können hier ihre Spuren hinterlassen und zeigen, dass sie dazugehören.“
Eine besondere Bedeutung hat das Wandgemälde im Gemeinschaftsraum, das Vögel darstellt. Jede neu ankommende Person kann in Zukunft einen Vogel hinzufügen – eine symbolische Geste, die Gemeinschaft und Zugehörigkeit zum Ausdruck bringt. „Diese Handlung zeigt den Jugendlichen, dass sie hier einen Platz haben und Teil der Gemeinschaft sind“, betont Larraine Mukeze, die Leiterin der Unterkunft.
Für Jeremy, der erst kürzlich in der Unterkunft eingezogen ist und sich besonders intensiv am Kunstprojekt beteiligte, wurde das Malen zu einer Möglichkeit, seine Sorgen zu vergessen und eine neue Leidenschaft zu entdecken. Bei einer feierlichen Zertifikatübergabe für die teilnehmenden Jugendlichen erhielt er als Anerkennung für sein Engagement ein gerahmtes Bild von sich bei der Arbeit – ein Zeichen der Wertschätzung und des Erfolgs.
Ein Ort der Hoffnung und Gemeinschaft
„Les Augustins“ ist mehr als nur eine Unterkunft – es ist ein Ort der Hoffnung und des Neuanfangs. Die Kombination aus einem engagierten Betreuungsteam und einem breiten Angebot für Freizeit und gesellschaftlicher Teilhabe bietet den Jugendlichen die Chance, ihre Vergangenheit zu verarbeiten und ihre Zukunft aktiv zu gestalten. Die heilende Wirkung der Kunst, die im Projekt der Anouk Foundation sichtbar wird, zeigt, dass kreativer Ausdruck eine wichtige Rolle bei der Überwindung von Traumata spielen kann. Die jungen Bewohner*innen haben hier nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch die Möglichkeit, die Wände ihres neuen Zuhauses mit eigenen Geschichten zu füllen – Geschichten, die ihnen Kraft geben und Mut machen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.