Resettlement - Testimonials
Resettlement - Testimonials
Interviews: Vanessa Tampieri
Die einzige Hoffnung auf ein sicheres Leben
Hunderttausende Flüchtlinge leben viele Jahre lang in prekären Verhältnissen in den Aufnahmeländern, ohne Chance auf eine sichere Existenz und Zukunft für sich und ihre Familie. Nicht selten ist sogar ihr Leben in Gefahr. Lassen die Verhältnisse im Herkunftsland eine baldige Rückkehr nicht zu, bleibt oftmals nur die Hoffnung auf Aufnahme durch andere Länder. Das sogenannte Resettlement-Programm ermöglicht den betroffenen Flüchtlingen, sicher und reguliert in ein solches Land zu kommen, dort dauerhaft zu bleiben und ein neues Leben zu beginnen.
Was ist Resettlement?
Mehr als 70 % der Flüchtlinge finden in Nachbarstaaten von Krisensituationen Zuflucht. Da eine sichere Rückkehr ins Herkunftsland oftmals in absehbarer Zeit nicht möglich ist, bemüht sich UNHCR für Flüchtlinge mit besonderem Schutzbedarf aufnahmebereite Drittstaaten zu finden. Das wird vom sogenannten Resettlement-Programm ermöglicht. Der Begriff Resettlement kommt aus dem Englischen und bedeutet Neuansiedlung oder Wiederansiedlung. Resettlement schützt nicht nur einzelne Flüchtlinge, sondern entlastet auch Erstzufluchtstaaten und trägt so zu einer besseren internationalen Verantwortungsteilung bei.
Da die Zahl der bereitgestellten Resettlement-Plätze viel geringer ist als die Zahl der Flüchtlinge, die Resettlement benötigen, setzt sich UNHCR weltweit für die Ausweitung von Resettlement ein – insbesondere im Rahmen des globalen Pakts für Flüchtlinge. Die Schweiz könnte dazu beitragen, indem sie ihre jährliche Aufnahmequote, die derzeit bei 800 Personen liegt, erhöht.
Drei Zahlen zum Resettlement
58,457
Personen wurden 2022 neuangesiedelt
Quelle: UNHCR
31. Dezember 2022
1,473,156
Personen brauchten 2022 einen Resettlement-Platz
Quelle: UNHCR
31. Dezember 2022
6,287
Personen haben seit der Wiederaufnahme des Resettlement-Programms 2013 in der Schweiz einen Resettlement-Platz erhalten
Quelle: UNHCR
31. Januar 2023
«Wenn die Schweiz anderen Familien helfen kann, ist es wichtig, dass sie es macht.»
— Adam und Ibrahim, ursprünglich aus dem Sudan
Die Familien von Adam und Ibrahim leben seit 2021 in Giubiasco, im Tessin. Beide Familien stammen aus dem Sudan und sind dank dem Resettlement-Programm von Ägypten in die Schweiz gekommen.
Wie haben Sie in ihrem Erstzufluchtstaat gelebt?
Adam: In Ägypten fühlten wir uns nicht sicher. Unser Einkommen hat nie ausgereicht, um über die Runden zu kommen. Meine Frau hat Diabetes und es war schwierig, die teuren Medikamente zu kaufen. Während meines Aufenthalts habe ich mich stark für eine Flüchtlingsorganisation engagiert, die das Ziel hatte, sich untereinander zu helfen. Jedoch war die Regierung dagegen und verhinderte unsere Treffen. Es war wirklich die Hölle.
Ibrahim: In Ägypten waren wir vielen Übergriffen ausgesetzt. In unserem Gebäude wurden wir mit Wassereimern übergossen. Wir hatten viele Schwierigkeiten, unsere Aufenthaltsbewilligung zu erneuern. Ich wurde mehrmals für mehrere Monate aus administrativen Gründen inhaftiert. Meine Abwesenheit hat meiner Familie ihre Lebensgrundlage entzogen und wir mussten uns verschulden. Da wir Flüchtlinge sind, waren die Leute oft unehrlich mit uns. Sie haben unsere Lage ausgenutzt, indem sie von uns mehr Geld als üblich verlangt haben. Wir mussten aus dem Sudan fliehen, aber das Leben in Ägypten war auch schwierig.
Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Schweiz?
I.: Bevor wir ausgewählt wurden, wurden wir mehrmals und ausführlich interviewt. Wegen der Pandemie sind mehrere Monate ohne Neuigkeiten vergangen. Zu Beginn wussten wir gar nicht was die Schweiz ist, wir dachten, es ginge um Schweden! Bei den Reisevorbereitungen wurden wir von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) unterstützt, die uns mehr Informationen gegeben hat. Alle waren sehr nett und das Personal vom Staatssekretariat für Migration (SEM) hat uns am Flughafen empfangen, als wir in Zürich angekommen sind.
A. : Als ich erfahren habe, dass wir in der Schweiz leben werden, war ich überwältigt. Wir sind in Zürich Flughafen angekommen und haben danach 18 Tage in einem Bundesasylzentrum verbracht. Danach wurden wir ins Tessin gebracht. Am Anfang war es schwierig, zu verstehen, wie die Dinge hier funktionieren und wir haben uns gefragt, wie das Leben in der Schweiz sein würde. Jedoch fühlen wir uns mittlerweile wohl. Seit unserer Ankunft gab es keine Probleme: Den Kindern geht es gut, sie haben sich gut eingelebt in der Schule. Meine Frau und ich lernen Italienisch.
Was denken Sie über das Schweizer Resettlement-Programm?
A.: Ich musste aus dem Sudan fliehen. Wenn ich mich nicht hätte um meine Kinder sorgen müssen, hätte ich versucht, über das Meer zu fliehen, anstatt so lange in Ägypten zu bleiben. Wir danken der Schweiz, dass sie uns aufgenommen hat und uns die Möglichkeit gegeben hat, in Sicherheit ein neues Leben aufzubauen. Es gibt so viele Familien wie uns, die in dramatischen Situationen sind. Wenn die Schweiz anderen Familien helfen kann, ist es wichtig, dass sie es macht.
I.: Das Resettlement-Programm der Schweiz funktioniert gut und es ist wichtig, dass es diese Möglichkeit gibt. In einem Land wie Ägypten hat die einheimische Bevölkerung bereits ein schwieriges Leben und für die Flüchtlinge ist es noch schlimmer.
«Wer in der Schweiz ankommt, ist in Sicherheit.»
— Zakieh und ihr Sohn Omar, ursprünglich aus Syrien
Zakieh ist Ende 2018 mit ihren beiden Kindern Omar und Isaac im Rahmen des Resettlement-Programms in der Schweiz angekommen. Zuvor lebten sie sechs Jahre als Flüchtlinge im Libanon. Jetzt wohnen sie in Einsiedeln, im Kanton Schwyz.
Was geschah nach Ihrer Flucht?
Zakieh: Das Leben war nicht einfach. Es war ein Leben voller Trauer, Müdigkeit und Niedergeschlagenheit. Ausserdem fühlten wir uns allein, weil wir während der Flucht viele Kontakte zu unseren Familienmitgliedern verloren haben.
Omar: Wir konnten nicht zur Schule gehen. Wir mussten arbeiten, um essen zu können. Mein Bruder und ich waren damals wir nur 12 und 14 Jahre alt und wir arbeiteten täglich 12 bis 13 Stunden ohne Ferien. Unser Arbeitgeber setzte uns stark unter Druck. Wir durften unsere Meinung nicht sagen und wurden sehr streng behandelt. Im Libanon waren wir nicht frei und kamen nie zur Ruhe. Es gab keine Zukunft für uns.
Wie verlief Ihr Resettlement Verfahren?
O.: Wir wurden vom UNHCR sehr lange interviewt, um in Betracht gezogen zu werden. Es wurden sehr detaillierte Fragen zu unserer Situation und unserer Familie gestellt.
Z.: Das Verfahren an sich verlief gut, ich habe auch die dreitägige Orientierungsveranstaltung vor der Abreise sehr genossen. Das war sehr hilfreich.
Was haben Sie gefühlt, als Sie erfahren haben, dass Sie in die Schweiz kommen können?
O.: Es war, als ob ich im Paradies angekommen wäre. Zwar existiert das richtige Paradies nicht auf Erden, aber in diesem Moment fühlte ich, dass die Schweiz unser Paradies werden würde.
Z.: Es war schwierig für mich, eines meiner Kinder und seine Familie zurückzulassen, aber ich wusste, dass ich so meinen jüngeren Kindern eine Zukunft bieten kann. Dafür bin ich der Schweiz sehr dankbar, obwohl meine Seele und meine Gedanken immer noch bei meinem Sohn sind, der immer noch unter schwierigen Bedingungen im Libanon lebt.
Welche Chancen hat Ihnen das Resettlement in die Schweiz ermöglicht?
Z.: Im Libanon hatte ich keinen Zugang zu der medizinischen Versorgung, die ich brauchte. Mittlerweile fühle ich mich unabhängig. Wenn ich zum Beispiel eigenständig den Deutschkurs besuche, bin ich glücklich. Im Libanon habe ich jede Nacht um meine Kinder geweint. Ich bin dankbar, dass meine Kinder hier studieren oder arbeiten können. Sie haben schnell Deutsch gelernt und eine Lehrstelle gefunden. Das ist bemerkenswert.
O.: Wenn ich im Libanon geblieben wäre, hätte ich riskiert, nach Syrien zurückgeschickt zu werden, ins Gefängnis zu kommen und in die Armee eintreten müssen. Hier habe ich mehr Möglichkeiten, meine Zukunft zu gestalten und Entscheidungen zu treffen. Ich habe eine Lehrstelle und fühle mich frei und unabhängig. Ich habe eine eigene Wohnung und Freizeit. Im Libanon haben wir jeden Tag wie besessen von morgens bis abends gearbeitet, nur um überleben zu können. In der Schweiz konnte ich auch eine neue Sprache lernen und mit einer neuen Kultur in Berührung kommen.
Was soll eine Person aus der Schweiz über das Resettlement-Programm wissen?
O.: Sie müssen sich vorstellen, dass jeder Platz im Programm eine Person vor Gefahr schützt und sie aus einer ausweglosen Situation rettet. Wer in der Schweiz ankommt, ist in Sicherheit.
«Für Viele kann das Resettlement die einzige Lösung sein. Resettlemen ist auch eine konkrete und kraftvolle Botschaft der globalen Solidarität.»
–Filippo Grandi, Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge
«Ich fühlte mich wie neu geboren.»
— Basel und Rasha
Nachdem Basel und Rasha mit ihren drei Kindern acht Jahre lang als Flüchtlinge im Libanon gelebt haben, sind sie 2019 in die Schweiz gekommen. Ihr viertes Kind ist in der Schweiz zur Welt gekommen. Die Familie wohnt aktuell in Locarno im Kanton Tessin.
Welche Schwierigkeiten haben Sie in Ihrem Erstzufluchtstaat erlebt?
Als wir in den Libanon kamen, lebten wir mit den Familien meiner Brüder im selben Haus. Als es aber nicht mehr genug Platz gab, mussten wir uns trennen. Dass wir jedes Jahr unsere Aufenthaltsbewilligung erneuern mussten, bereitete uns viel Stress. Wir wussten nie, ob alles gut gehen würde und fühlten uns nie sicher. Zudem befanden wir uns in sehr grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, auch wenn UNHCR uns mit einem kleinen finanziellen Beitrag unterstützte. Die Mittel reichten jedoch nicht aus.
Wie haben Sie den Resettlement-Prozess erlebt?
Wir hatten regelmässige Gespräche mit UNHCR, die mindestens alle zwei Jahre stattfanden. Dieses eine Mal stellten sie mir sehr ausführliche Fragen. Anfangs hatte ich Angst, ihnen unsere ganze Geschichte und von unseren Problemen zu erzählen. Mir wurde dann aber erklärt, dass dies vertraulich sei und dies helfen würde, eine Lösung für meine Familie zu finden. Einige Monate später wurde unsere ganze Familie zu einem weiteren langen Gespräch eingeladen.
Später wurde uns mitgeteilt, dass wir für die Schweiz in Frage kommen könnten. Anschliessend wurden wir zu Gesprächen mit Mitarbeitern des SEM in Beirut eingeladen. Die Gespräche dauerten den ganzen Tag. Ich war daraufhin beim Gedanken daran, dass wir eine andere Perspektive haben könnten, so aufgeregt, dass ich es kaum erwarten konnte, die Reise anzutreten. Ich wusste, dass wir in der Schweiz eine bessere Zukunft haben würden. Wir warteten 35 Tage, bis wir endlich den positiven Entscheid bekamen. Danach fühlte ich mich wie neu geboren. Das ist ein unglaubliches Gefühl. Wir mussten auch lachen, als wir erfuhren, dass eine Stadt gleich heisst wie ich!
Hat sich Ihr Leben durch das Resettlement verändert?
Hier in der Schweiz sind meine Kinder in Sicherheit. In der Schule können sie viel lernen. Meine älteren Kinder besuchen die Primarschule. Sie haben gute Noten, arbeiten hart dafür und werden von Lehrpersonen sehr unterstützt. Ich arbeite als Freiwilliger für eine Organisation und meine Frau besucht einen Italienischkurs. Sie kümmert sich ausserdem um unser Neugeborenes. Ohne das Resettlement wäre unser Leben sehr schwierig gewesen. Ich sehe die Schwierigkeiten, mit denen meine Brüder und ihre Familien zu kämpfen haben. Sie sind immer noch im Libanon und in Türkiye. So viele Familien sind erschöpft und brauchen Hilfe, vor allem diejenigen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
«Ich bin der Schweiz dankbar.»
— Magdi
Magdi kam mit seiner Frau und sechs Kindern 2021 im Rahmen des Resettlement-Programms in die Schweiz. Zuvor haben sie sechs Jahre lang in Ägypten gelebt. Seine Frau war damals schwanger. Ihr siebtes Kind, ein Mädchen, wurde in der Schweiz geboren. Heute leben sie in Einsiedeln im Kanton Schwyz.
Können Sie von Ihren Erfahrungen vor Ihrer Ankunft in der Schweiz erzählen?
Ich kam zunächst allein nach Ägypten. Danach habe mich sofort bei UNHCR registriert. Als ich eine Arbeit fand, holte ich meine Frau mit unseren Kindern auch nach Ägypten. Wir haben dann eine leere Wohnung gefunden. Bei der Möblierung hat uns eine lokale Organisation geholfen. Das Leben war sehr hart. Die Kinder konnten nicht wirklich in die Schule gehen, es ging uns finanziell und gesundheitlich nicht gut. Wir haben auch Diskriminierung erlebt und fühlten uns nicht sicher.
Wie ist Ihr Resettlement-Verfahren abgelaufen?
Wir hatten alle sechs bis zwölf Monate Kontakt mit UNHCR, um unsere Informationen auf den neuesten Stand zu bringen. Irgendwann verschlechterte sich mein gesundheitlicher Zustand, da ich in meinem Heimatland gefoltert wurde. Auch die Kinder hatten Sorgen. Eine Rechtshilfeorganisation vor Ort half uns dann dabei, erneut mit UNHCR in Kontakt zu treten und sie zu informieren. Daraufhin vereinbarten sie einen Termin für Interviews. Ich hatte zwei sehr lange Interviews. Nach zwei Monaten Wartezeit erhielten wir einen Anruf, in dem uns mitgeteilt wurde, dass die Schweiz unseren Fall in Betracht gezogen hatte. Danach hatten wir ein weiteres Gespräch in der Schweizer Botschaft, bevor wir von unserer Aufnahme in das Programm erfuhren. Der Weg zur Aufnahme ins Resettlement-Programm ist nicht einfach und schnell. Aber die Nachricht zu erhalten, dass wir ausgewählt wurden, war das beste Gefühl überhaupt. Wir konnten es bis zum Schluss nicht glauben.
Warum ist das Resettlement-Programm so wichtig, auch basierend auf Ihrer Erfahrung?
In Ägypten hatten wir keine Zukunft. Die Möglichkeit, zu gehen, war wie eine Rettung aus dem Höllenfeuer. Vor Ort gibt es zwar Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten. Leider können diese aber nur einen kleinen Teil der Bedürfnisse abdecken. Das Resettlement ist daher ein guter Weg, um eine neue Perspektive zu schaffen und ein neues, würdiges Leben beginnen zu können. Ich weiss, dass viele Familien das Gleiche erlebt haben wie wir. Ich bin der Schweiz wirklich dankbar. Hier fühlen wir uns wohl und werden nicht diskriminiert. Wir können uns in unserem Dorf sozial integrieren und unsere Kinder können zur Schule gehen und Freundschaften knüpfen.
Seit der Ratifizierung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge im Jahr 1955 hat sich die Schweiz regelmässig an den vom UNHCR durchgeführten Massnahmen zur Aufnahme von Flüchtlingen beteiligt.
Seit 2013 nimmt die Schweiz erneut am Resettlement-Programm von UNHCR teil. Im Jahr 2018 beschloss der Bundesrat, das Engagement der Schweiz im Rahmen dieses Programms fortzusetzen.
Seit diesem Entscheid sind mehr als 6000 Personen legal und sicher in der Schweiz angekommen.