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UNHCR warnt vor Politisierung von Asylfragen

Medienmitteilungen

UNHCR warnt vor Politisierung von Asylfragen

8 Oktober 2015 Auch verfügbar auf:

GENF, Schweiz – UNHCRs hochrangigster Experte für Fragen des Rechtsschutzes, Volker Türk, warnte anlässlich des jährlichen UNHCR Exekutivkomitee-Treffen am 8. Oktober 2015 vor wachsenden Risiken für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen. Er sagte, die Regierungen weltweit müssten ihre Haltung und Selbstverpflichtung gegenüber Menschenrechten und den rechtsstaatlichen Prinzipien, auf denen das internationale Flüchtlingssystem fußt, dringend erneuern.

In seiner Rede in Genf betonte Volker Türk, dass der Schutz von Flüchtlingen und anderen vulnerablen Personen dem Druck von fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht weltweit standhalten müsse. Er bezeichnete die gegenwärtige Situation, in der Asyl- und humanitäre Überlegungen häufig von innen- und sicherheitspolitischen Fragen verdrängt würden, als sehr besorgniserregend.

Türk zeichnete in seiner Rede ein beunruhigendes Bild zunehmender globaler Kriegs- und Konfliktzonen und der zunehmenden unzulänglichen Finanzierung humanitärer Arbeit. Besorgniserregend seien auch der Bau von Zäunen und Mauern sowie andere Abschreckungsmaßnahmen durch einige Länder, um Flüchtlinge abzuwehren oder zu erreichen, dass die Betroffenen auf die Territorien der Nachbarländer weitergeschoben werden. Er beschrieb zudem die miserablen Aufnahme- und Lebensumstände, die es Flüchtlingen unmöglich machen am Aufnahmeort zu bleiben sowie die Inhaftierungen von Asylsuchenden, einschließlich Kindern; die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten und die Verweigerung legaler Arbeitsmöglichkeiten für Erwachsene. „Abschiebungen, der Bau von Mauern, zunehmende Festnahmen und sich weiter verschärfende Zugangsrestriktionen in Kombination mit wenig legalen Wegen für Flüchtlinge Zuflucht zu finden, kann niemals die Antwort sein”, so Türk. „Als Folge verschieben sich die Fluchtbewegungen entlang anderer Routen und verschlechtern die bereits prekären Situationen in Konfliktzonen weiter. Die Umstände führen zudem dazu, dass noch mehr Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, die gefährliche Reise in der Hoffnung auf Sicherheit und Stabilität riskieren.“

Mit über 500.000 Menschen, die über den Meerweg an den Grenzen Europas, Südostasiens und anderswo ankommen rückt das Phänomen, dass Menschen von ihrem Zufluchtsort aus Verzweiflung an andere Orte weiterziehen 2015 verstärkt in den Fokus. Im Falle Europas reisen viele Flüchtlinge aus den Erstzufluchtsstaaten weiter, oft mit tragischen Konsequenzen auf dem weiteren Weg. Bisher sind 3.000 Menschen bei dem Versuch Europa über das Meer zu erreichen gestorben. Menschenschmuggel ist zudem mittlerweile weit verbreitet.

Türk würdigte die „bemerkenswerte Welle des öffentlichen Mitgefühls und eine Zunahme der Unterstützung aus der Bevölkerung“, die dieses Jahr in Europa und andernorts als Reaktion auf die Ankommenden zu beobachten war. Er hob ebenso das Engagement von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), religiösen Organisationen, politischen und geistlichen Führungspersonen, Einzelpersonen und Gemeinden hervor, einschließlich der vielen Menschen, die Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen oder Touristen, die bei der Notfallversorgung helfen.

„Ein Klima der Angst“ als größte Herausforderung

Er warnte allerdings auch vor der größten Herausforderung, die mit der steigenden Anzahl von Flüchtlingen und Migranten in Europa und weltweit einhergeht: Ein populistischer Ton in der Politik und eine vergiftete öffentliche Diskussionen, die ein Klima der Angst schafften. Verantwortungslose mediale Berichterstattung, fehlende politische und moralische Führung sowie Xenophobie und Rassismus heizten dieses Klima an. All dies deute daraufhin, so Türk weiter, dass die fundamentalere Krise mit der wir konfrontiert seien, eine Wertekrise sei – jener Werte, die nach den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs zur Entstehung der Flüchtlingskonvention von 1951 beigetragen haben.

Türk forderte die 98 Mitgliedstaaten des UNHCR-Exekutivkomitees auf, diese Herausforderung mit derselben solidarischen und politischen Entschlossenheit, Aufmerksamkeit und Ressourcen anzugehen, mit denen auch frühere große internationale Flüchtlingskrisen bewältigt worden seien.

Zudem betonte Türk, dass ebenso die vielen Binnenvertriebenden, die zurückgekehrten Flüchtlinge, Staatenlosen und die betroffene Bevölkerung in den jeweiligen Herkunftsstaaten weltweit Unterstützung benötigen. Ziel sollte es sein, Leben zu retten, Sicherheit zu gewährleisten, Leiden zu lindern und die Würde des Einzelnen wiederherzustellen. Er sprach auch über die Notwendigkeit, engere Beziehungen zwischen geflohenen Menschen und den Aufnahmeländern zu fördern, da diese ohne Hilfe schnell überfordert seien. Insbesondere müssten die Staaten ihren Sinn für Zusammenarbeit erneuern, um die grenzübergreifenden Probleme anzugehen, die ohne solidarische, internationale Zusammenarbeit nicht gelöst werden können.

„Wir brauchen umfassende Bemühungen um sicherzustellen, dass der Flüchtlingsschutz und insbesondere die Institution des Asyls weiterhin lebensrettend, humanitär und unpolitisch bleiben“, forderte Türk. Er betonte zudem, dass die Flüchtlingskonvention von 1951 in ihrem Eröffnungstext festhalte, die Probleme von geflohenen Menschen seien nicht durch die isolierte Arbeit von einzelnen Ländern zu lösen. Dies spreche für die problematischste Lücke im Flüchtlingsschutz, mit welcher wir heute konfrontiert seien: die Notwendigkeit eines weltweiten Vertrags für eine angemessene Lastenverteilung und ein angemessenes gemeinsames Verantwortungsprizip. Um einen solchen Vertrag in Zeiten des Aufruhrs in die Realität umzusetzen, brauche es eine kühlen Kopf, Entschlossenheit und gegenseitiges Vertrauen.