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Grosser Einsatz – wenig Unterstützung

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Grosser Einsatz – wenig Unterstützung

13 Februar 2023 Auch verfügbar auf:
Sprachkurs der Flüchtlingsgemeinschaft Dar Al Farah, Dezember 2022, Zürich. © UNHCR/Anna-Tia Buss
"Flüchtlingsgeführte Organisationen in der Schweiz und Liechtenstein - wer sie sind, was sie tun, mit wem sie arbeiten", lautet der Titel des heute publizierten UNHCR-Berichts. Fazit der Untersuchung: Vereine und Organisationen, die von Flüchtlingen gegründet und geführt werden, erbringen grosse Leistungen bei Empfang und Integration von Flüchtlingen sowie bei der Erhaltung ihrer sozialen Kontakte und ihres kulturellen Erbes. Hingegen kämpfen alle untersuchten Organisationen mit einem Mangel an Unterstützung und Finanzierung.  

 

Das Fazit, das Anja Klug, Leiterin den UNHCR-Büros für die Schweiz und Liechtenstein, aus der ersten, umfassenden Analyse flüchtlingsgeführter Organisationen zieht, ist eindeutig: „Wir empfehlen allen Akteuren, uns selbst eingeschlossen, die Zusammenarbeit mit flüchtlingsgeführten Organisationen zu fördern und auszubauen.“ Trotz unterschiedlichster Herausforderungen zeigten die sogenannten Refugee-led Organizations (RLO) zahlreiche Stärken wie Anpassungsfähigkeit, einen starken Sinn für Solidarität und Bereitschaft zur Zusammenarbeit – sowie ein ausgeprägtes Verständnis für Flüchtlinge und Nähe zu ihnen. Den RLO komme deshalb eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum gehe, Flüchtlinge zu erreichen und den Erfolg von Integrationsprogrammen zu fördern. 

Mit gezielter Unterstützung und verbesserter Finanzierung könnten flüchtlingsgeführte Organisationen ihre Stärken noch deutlich besser einsetzen, zu diesem Schluss kommt auch Studienautor Haile Kassa Hailu: „Wenn der Beitrag der RLO vermehrt anerkannt wird und sie die nötige Hilfe erhalten, können sie eine viel grössere Rolle bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen spielen.“ 

Erste Untersuchung in der Schweiz und Liechtenstein 

Über 100 Vereine oder Zusammenschlüsse konnten im Rahmen des sogenannten Mappings zwischen August 2021 und August 2022 ermittelt werden. Davon konnten 38 Organisationen, die von Flüchtlingen geleitet werden und ihr Angebot auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen ausrichten, in die Untersuchung einbezogen werden.  

Vertreterinnen und Vertreter dieser Vereinigungen haben in einem Fragebogen sowie im Rahmen von Workshops über ihre Tätigkeiten, Motive und Ziele sowie Stärken und Herausforderungen Auskunft gegeben. Aus den Ergebnissen der Untersuchung wurden schliesslich in Zusammenarbeit mit Flüchtlingen Empfehlungen erarbeitet, die sich an nationale, kantonale und kommunale Behörden, zivilgesellschaftliche Akteure, die Forschung sowie an die RLO selbst richten. 

Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen  

Wesentliche Erkenntnisse, die über RLO gewonnen wurden, sind unter anderem: 

  • Männer prägen das Bild: Gut zwei Drittel der befragten Organisationen werden von Männern geleitet, nur bei gut 18 Prozent sind die Mitglieder überwiegend Frauen.
  • Junge Mitglieder in der Minderheit: Nur bei 11 Prozent der RLO sind die Mitglieder überwiegend 15 – 30 Jahre alt. Bei der Hälfte der Gemeinschaften beträgt das Alter der Mitglieder mehrheitlich 30 – 50 Jahre.
  • Zusammenschluss innerhalb der Diaspora: Bei knapp drei Viertel der Organisationen stammen die Mitglieder aus nur einem Land.
  • Integration ist ein Hauptmotiv: Die zwei wichtigsten Motive für die Gründung flüchtlingsgeleiteter Organisationen sind, Neuankommende zu unterstützen und ihnen zu helfen, sich im Alltag zurechtzufinden. Danach folgen «Aufrechterhaltung der Kultur und Tradition des Heimatlandes», «Aufrechterhaltung des Kontakts mit Landsleuten» und «Aufrechterhaltung der Sprache des Heimatlandes».
  • Themenübergreifend aktiv: Fast alle Organisationen (97 Prozent) sind kulturell aktiv. An zweiter Stelle (63 Prozent) stehen Bildungsaktivitäten. 50 Prozent haben Angebote hauptsächlich für Frauen, 37 Prozent für Kinder und Jugendliche.
  • Breite Palette von Angeboten: Die wichtigsten Angebote sind gemeinsame Mahlzeiten und Feste, Beratung zum Leben im Gastland (Arbeit, Wohnen, Gesundheit usw.), Sprachkurse, Unterstützung bei der Kommunikation mit Behörden (Übersetzung und Verfassen von Briefen, Verwaltungsverfahren usw.) sowie Integrationskurse.
  • Unsichere Finanzierung: Weniger als 20 Prozent der RLO nennt öffentliche Zuschüsse als wichtigste Finanzquelle. Knapp 80 Prozent stützen sich auf private Spenden oder Einnahmen aus Veranstaltungen. Kaum relevant ist bei den Befragten die Unterstützung durch religiöse Akteure (3 Prozent).
  • Löchriges Beziehungsnetz: RLO sind legitime Vertreter der Flüchtlinge, um Bündnisse zu schliessen oder mit wichtigen Akteuren vor Ort zusammenzuarbeiten. Die Ergebnisse belegen jedoch, dass die Koordination und Zusammenarbeit zwischen RLO und den wichtigsten Akteuren im Asyl- und Flüchtlingsbereich sehr begrenzt ist. Nur selten kommt es zu sinnvollen Kooperationen. Auch die Zusammenarbeit zwischen den RLO stellte sich als sehr begrenzt heraus. 

Gestützt auf die Resultate der Untersuchung empfiehlt der Bericht, die flüchtlingsgeführten Gemeinschaften und ihre Rolle in der Schweiz und in Liechtenstein weiter zu erforschen. Mit der passenden Unterstützung und verbesserter Finanzierung seien die RLO in der Lage, ihr Potential bei der Integration von Flüchtlingen besser auszuschöpfen.  

 

Der vollständige Bericht ist online verfügbar und steht zum Download bereit.

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