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Refugee Speakers – Stimmen, die zählen

Die Teilnehmenden des Refugee Speakers Programms mit der Leiterin Maryam Sediqi (2. v.r.) © UNHCR/Nino Janashvili

«Als Flüchtlinge in einem neuen Land müssen wir oft viele Hindernisse überwinden. Mit Entschlossenheit und der richtigen Unterstützung können wir aber unsere Ziele verwirklichen und ein wertvoller Teil der Gesellschaft werden», erklärt Samiullah, einer der Teilnehmenden des Refugee Speakers Program. 

Allzu oft werden Diskussionen über Flüchtlinge geführt, anstatt mit ihnen. Hierfür gibt es viele Gründe. Abgesehen davon, dass Flüchtlingen oftmals gar nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich an Diskussionen zu beteiligen, fehlt ihnen oft auch das Know-how. Flüchtlinge müssen sich in der Regel einer fremden Sprache bedienen, um ihre Anliegen vorzubringen. Ausserdem haben viele wenig Erfahrung im öffentlichen Sprechen. Um die Fähigkeiten von Flüchtlingen im öffentlichen Sprechen auszubilden, hat UNHCR im März 2024 ein Pilotprojekt für ein Refugee Speakers Program lanciert. Dieses basiert auf einem ähnlichen Programm, welches seit 2022 in Skandinavien durchgeführt wird. 

Die vier Teilnehmenden wurden im Rahmen eines offenen Bewerbungsverfahrens ausgewählt. In verschiedenen Workshops, die von UNHCR-Mitarbeitenden sowie externen Expert*innen geleitet werden, erlernen sie, wie sie sich aktiv in öffentlichen Debatten einbringen können und Vorträge halten können. Die Workshops decken verschiedene Themen ab, von der Struktur einer Rede über das Auftreten bis hin zum Umgang mit erlebtem Trauma. Letzteres ist wichtig, weil Flüchtlinge oft im Herkunftsland oder auf der Flucht schwere und belastende Erlebnisse haben. Der Workshop zum Umgang mit Trauma hilft den Teilnehmenden, auf sich selbst zu achten und zu verhindern, dass das Erzählen über Erlebtes zur Retraumatisierung führt. Die Flüchtlinge lernen ihre mentale Gesundheit zu schützen. So können sie ihre Geschichten und Ideen sicher und eindrucksvoll mitteilen und die Öffentlichkeit besser informieren. 

Das Programm wird von Maryam Sediqi geleitet, die beim UNHCR-Büro für die Schweiz und Liechtenstein als Refugee Advisor tätig ist und die Teilnehmenden eins zu eins coacht. Maryam ist selbst als Kind aus Afghanistan in die Schweiz geflohen. Sie ist Mitbegründerin der «Afghan Women Association Switzerland» und hat langjährige Erfahrung im öffentlichen Reden. «Flüchtlinge sollten nicht als Opfer ihres Schicksals betrachtet werden, denen man nur Mitleid entgegenbringt, sondern man sollte sie unterstützen, ihre Ziele zu erreichen, ein neues Leben aufzubauen und Teil der Gesellschaft zu werden», betont Maryam. Dieses Thema griff sie auch kürzlich in ihrer Eröffnungsrede des von SFH und UNHCR organisierten 9. Schweizer Asylsymposiums auf. 

Die teilnehmenden Flüchtlinge kommen aus unterschiedlichen Kontexten. Sie vereint jedoch der Wunsch, ihre Erfahrungen und Expertise in die Asyldebatte einbringen zu können. Sie stehen stellvertretend für viele weitere Flüchtlinge, die diesen Wunsch teilen.  

Chelat Dawid floh als Kind aus dem Irak in die Schweiz und ist heute als Personaldisponent tätig. Ftwi Atobrhan floh aus Eritrea und hat über das Arbeitsintegrationsprogramm von IKEA eine Anstellung gefunden. «Niemand entscheidet sich freiwillig, Flüchtling zu sein. Wir alle verdienen ein Zuhause und die Sicherheit, die damit einhergeht», betont er. Samiullah Amiry hat bereits in Afghanistan einen Bachelorabschluss in Computerwissenschaften erworben. Derzeit studiert er Informatik an der Berner Fachhochschule BFH und arbeitet als ICT-Systemtechniker bei der Stadt Baden. „Mein Lebensweg zeigt, dass uns der Glaube an sich selbst ermöglicht, auch die grössten Herausforderungen zu überwinden und neu anzufangen“, stellt er fest. Vlada Divayeva floh 2022 aus der Ukraine und konnte beruflich schon einige Erfahrung im öffentlichen Reden sammeln. Momentan bildet sie sich zur Migrationsfachperson aus. 

«Das Refugee Speakers Programm zielt darauf ab, die Fähigkeiten von Flüchtlingen im öffentlichen Sprechen aufzubauen. Dabei geht es um mehr, als Flüchtlingen zu ermöglichen, über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen», erklärt Anja Klug, Leiterin des UNHCR-Büros für die Schweiz und Liechtenstein. «Flüchtlinge sind wichtige Akteure mit Fachkenntnissen und Ideen, die gehört und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden müssen». 

«Menschen sind Geschichtenerzähler und Worte sind wichtige Instrumente», betont Oliver Schröder. Er ist Mediencoach und war lange Studienleiter bei der MAZ, der Schweizer Journalistenschule. In einem der Workshops durften die Teilnehmenden mit ihm üben. «Es ist wichtig, dass man euch nicht nur eine Stimme gibt, sondern dass ihr euch eine Stimme nehmt», ermutigt Oliver die Teilnehmenden. Er beobachtet oft, wie Diskurse in den Medien zum Thema Flucht einseitig geführt werden. Daher sei es wichtig, dass Betroffene der Öffentlichkeit ihre Erfahrungen aus erster Hand mitteilen und an Debatten teilnehmen.  

Am 20. Juni 2024 wird das Programm anlässlich des Weltflüchlingstags mit einem Event in Bern abgeschlossen, bei dem die Teilnehmenden ihre Reden präsentieren werden.