Hoffnung im Klassenzimmer
Hoffnung im Klassenzimmer
Ein lebhafter Freitagmorgen in einer Sekundarschule im Baselland. Auf die Frage «wer von euch ist schon einmal an einen Ort gezogen, an dem eine andere Sprache gesprochen wurde oder hat Eltern, die dies erlebt haben?» gehen die meisten Hände in die Höhe. Auch die der jungen Sekundarlehrerin Amela Jukic. Während viele Schüler*innen in Schweizer Schulen einen Flucht- oder Migrationshintergrund haben, sind Lehrpersonen wie Amela eine Seltenheit. Ihre Eltern durchlebten den Bosnienkrieg und bauten sich nach der Flucht in die Schweiz ein neues Leben auf. Amela wuchs im Baselland auf und unterrichtet heute 12-15-jährige Schüler*innen in derselben Sekundarschule, in der sie einst selbst zur Schule ging. Lehrpersonen wie Amela können Schlüssel zur Schaffung inklusiverer und vielfältigerer Bildungsräume sein.
«Es geht nicht nur darum, Schüler*innen Grammatik oder Erdkunde zu vermitteln», betont Amela. Gerade in der Sekundarschule nehmen Lehrpersonen eine wichtige erzieherische Funktion ein, die Amela sehr ernst nimmt. Ihr Humor und ihre Zugänglichkeit machen die 29-jährige Lehrerin zu einer wichtigen Bezugsperson für viele ihrer Schüler*innen, die sich bei persönlichen Problemen und Sorgen oft an sie wenden. «Die meisten Schüler*innen wollen einfach ein offenes Ohr. Wenn nötig leite ich an die entsprechenden Stellen weiter.» Vor allem für Schüler*innen mit Flucht- oder Migrationshintergrund ist diese Unterstützung von grossem Wert.
Gemeinsam nimmt Amelas Schulklasse am UNHCR Jugendwettbewerb «Youth with Refugees» zum Thema «Hoffnung fern der Heimat» teil. Die Schüler*innen fertigen Zeichnungen an, welche, so hoffen sie, auf einem UNIQLO T-Shirt gedruckt werden, um Spenden für UNHCR zu sammeln. Amela nutzt den Wettbewerb als Anlass, das Thema Flucht mit ihren Schüler*innen zu vertiefen.
Dieses Thema liegt Amela natürlich persönlich am Herzen. Durch ihre eigenen Erfahrungen bringen Lehrpersonen mit Flucht- oder Migrationshintergrund ein besonderes Mass an Empathie und Verständnis für Schülerinnen und Schüler mit ähnlichen Lebensgeschichten mit. Sie können nachvollziehen, wie es ist, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden. Diese gemeinsamen Erfahrungen schaffen eine Verbindung und stärken das Vertrauen zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen. Amela erfährt auch oft eine grössere Bereitschaft seitens Eltern mit Flucht- oder Migrationshintergrund, auf ihre Empfehlungen und Ratschläge einzugehen. «Ich kann aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit meinen Eltern gut nachvollziehen, welche Ängste und Sorgen Eltern mit Fluchterfahrung gegebenenfalls mitbringen und kann auf diese direkt eingehen und Strategien zur Förderung der Schüler*innen vorschlagen.»
«Eine andere Muttersprache zu haben ist nicht ein Mangel, sondern eine Stärke.»
Insbesondere schätzt Amela die Vielfalt der Sprachen, die ihre Schüler*innen sprechen, und zeigt ihnen, dass diese eine Bereicherung darstellen. «Als Kind empfand ich oft, dass es negativ konnotiert war, eine andere Muttersprache zu haben. Meinen Schüler*innen möchte ich vermitteln, dass die verschiedenen Sprachen, die sie sprechen, eine Stärke darstellen», erzählt sie.
In Amela Klassenzimmer hängt auch der Kalender «Das interkulturelle Schuljahr», herausgegeben von der Pädagogischen Hochschule Zürich, der einen Überblick über die Feiertage verschiedener Religionen bietet. Diesen zieht Amela zu Hilfe, um die verschiedenen Feiertage, die ihre Schüler*innen begehen, festzuhalten. Als Lehrerin sei es grundlegend, Interesse an den Schüler*innen zu zeigen. «Es ist wichtig, Fragen zu stellen und sich dann auch zu merken, was Schüler*innen erzählen und was sie einem über ihre Herkunft, ihre Kultur und ihr Leben erklären», meint Amela. Diese Haltung vermittelt Wertschätzung und schafft eine Atmosphäre des Respekts und der Toleranz, in der Vielfalt als Stärke wahrgenommen wird.
Lehrpersonen wie Amela sind nicht nur wichtige Vorbilder für Schüler*innen aus ähnlichen Hintergründen, sondern zeigen auch, dass Bildung und beruflicher Erfolg für alle möglich sind, unabhängig von ihrer Herkunft. Dies kann die Motivation der Schüler*innen steigern und ihre Bildungschancen verbessern. Amela betont, wie wichtig es ist, eine Bezugsperson für ihre Schüler*innen zu sein, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen zu zeigen, dass Bildung der Schlüssel zu einer besseren Zukunft sein kann. Sie selbst hätte sich während ihrer Schulzeit mehr Repräsentation gewünscht. «Ich habe das nicht gehabt, sie sollen das haben. Deshalb mache ich diesen Job.»