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"Ich wollte für grundlegende Menschenrechte eintreten"

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"Ich wollte für grundlegende Menschenrechte eintreten"

28 Februar 2018
Name: Norbert Trosien aus Berlin

Einsatzort:  derzeit Kairo, Ägypten

Position:  Registration Officer

Bei UNHCR seit:  November 2003

Warum hast du dich für einen Job beim UNHCR entschieden?

Bereits während meines Studiums der Rechtswissenschaften haben mich Menschenrechte und die internationalen Übereinkünfte zu deren Durchsetzung viel mehr interessiert als die rechtliche Bewertung von Verkehrsunfällen, Ladendiebstählen oder Familienverhältnissen. Weil ich im repressiven System der DDR aufwuchs, konnte ich mich immer schon gut in die Situation von Menschen hineinversetzen, für die angesichts drohender oder erlittener Verfolgung das Verlassen ihrer Herkunftsländer irgendwann zum letzten Ausweg wurde.  Zudem wollte ich gern meine Neugier auf andere Länder und Kulturen befriedigen. Meine gegenwärtige Tätigkeit bei UNHCR bietet mir die Möglichkeit, alle diese Aspekte miteinander zu verbinden und in einem internationalen Umfeld für die Gewährung grundlegender Menschenrechte gegenüber denjenigen einzutreten, die aufgrund ihrer erzwungenen Flucht von den Behörden ihrer Herkunftsstaaten keinen Schutz mehr erwarten können.

Was macht UNHCR in Ägypten?

Obwohl Ägypten zu denjenigen Staaten zählt, die maßgeblich am Zustandekommen der Genfer Flüchtlingskonvention beteiligt waren und die Konvention als einer der ersten Staaten unterzeichnet haben, ist das Land mit der Einrichtung eines effektiven staatlichen Asylverfahrens und eines angemessenen Hilfs- und Unterstützungssystems noch immer im Rückstand. Gleichzeitig spielt Ägypten aufgrund seiner geografischen Lage zwischen dem Nahen und Mittleren Osten, Afrika und Europa eine wichtige Rolle als Zufluchts- und Transitstaat. Die flächendeckende Registrierung von Flüchtlingen, die Suche nach dauerhaften Lösungen und die Bereitstellung von Hilfe und Unterstützung für die Bedürftigsten obliegen deshalb nahezu ausschließliche UNHCR und seinen Partnern. Daneben bemüht sich UNHCR weiterhin darum, die ägyptischen Behörden stärker in die Verantwortung zu nehmen. Fortschritte wurden dabei in diesem Jahr insbesondere beim Zugang zu Bildung, bei der Feststellung besonderer Bedarfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und bei der Gewährung eines legalen Aufenthaltes erzielt.

 

Wie sieht ein normaler Arbeitstag von dir aus?

Ich arbeite derzeit als Leiter der UNHCR-Registrierungsabteilung in Ägypten. Meine Abteilung mit etwa 40 Mitarbeitern ist über vier Standorte – drei im Großraum Kairo und ein Büro in Alexandria – verteilt. Ich arbeite jedoch meistens vom Hauptgebäude in einer Satellitenstadt am Rande von Kairo.

Mein Arbeitstag beginnt dann um 7:00 Uhr mit der Busfahrt ins Büro, die ich zum Lesen meiner E-Mails nutze. Nach der Ankunft im Büro kontrolliere ich die Anwesenheit meiner Mitarbeiter und mache die Einteilung der Funktionen für den Tag. Es muss sichergestellt sein, dass um 8:30, wenn unsere Registrierungsstellen öffnen, ausreichend Mitarbeiter für den Empfang, die Verteilung der Fälle und für Registrierungsinterviews zur Verfügung stehen, Computer und Netzwerk für die elektronische Terminverwaltung, Datenabgleich und -erfassung, sowie den Druck von Dokumenten ordnungsgemäß funktionieren und ausreichend Material und Dolmetscher für die mehr als 200 terminierten Registrierungsinterviews bereitstehen.

Wenn der Registrierungsprozess gestartet ist, stehe ich den Registrierungsmitarbeitern für inhaltliche Fragen zur Verfügung: Werden eritreische Parteiausweise als legitime Identitätsdokumente anerkannt? Wie wird das in Ägypten geborene Kind einer ägyptischen Mutter und eines in Ägypten als Flüchtling anerkannten sudanesischen Vaters registriert? Unter welcher Voraussetzung können wir die Registrierung einer syrischen Flüchtlingsfamilie, die seit mehr als einem Jahr keinen Kontakt mehr zu UNHCR hatte, wieder aktivieren? Nach welchen Kriterien vergeben wir beschleunigte Termine zur Registrierung, und an wen können wir Opfer häuslicher Gewalt verweisen? Daneben bereite ich die im Rahmen der Registrierung gewonnenen Informationen für andere Abteilungen auf, um über unsere Arbeit zu berichten, Trends zu erkennen und strategische Entscheidungen vorzubereiten. Im engen Austausch mit anderen Abteilungen versuche ich darüber hinaus, Synergien zu nutzen und gemeinsam das Verfahren zu straffen, um unseren Schutzbefohlenen schnellstmöglichen Zugang zu Hilfe und Unterstützung zu gewähren und Missbrauch unserer Strukturen zu erkennen und zu vermeiden. Im weiteren nimmt die kurz- und mittelfristige Planung der Registrierung unter Berücksichtigung des aktuellen Flüchtlingszustroms und der vorhandenen Ressourcen einen nicht unbedeutenden Teil meiner Arbeitszeit ein: Wie viele Termine für jemenitische Asylsuchende müssen wir in den nächsten Wochen vorsehen, um die Wartezeit in vertretbarem Rahmen zu halten und wie können wir durch geschickte Terminvergabe Freiräume für eine umfassende Verifizierung der registrierten Flüchtlinge schaffen? Wie viele Termine müssen wir für die sofortige Registrierung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge freihalten und womit beschäftige ich meine Mitarbeiter, wenn von den terminierten Flüchtlingen ein Großteil nicht zum Termin erscheint?

Gegen 16:00 Uhr verlasse ich dann das Büro und fahre zurück nach Kairo, wo dann meist noch ein, zwei Stunden Büroarbeit – für die Beantwortung von E-Mail-Anfragen, das Verfassen von Berichten und die Aufbereitung von Informationen – anfallen.

Was sind die größten Herausforderungen in deiner täglichen Arbeit?

Zu den größten Herausforderungen meiner Arbeit zählt sicherlich die enorme Diversität der Flüchtlingsbevölkerung in Ägypten. Neben syrischen Flüchtlingen, die etwa die Hälfte unserer Fälle ausmachen, kümmert sich UNHCR um Flüchtlinge aus derzeit 57 weiteren Nationen. Dabei nicht den Überblick zu verlieren, gleiche Chancen beim Schutzzugang und möglichst weitgehende Gleichbehandlung bei der Terminvergabe zu gewährleisten, erfordert extreme logistische Anstrengungen und ist sehr ressourcenintensiv. Eine weitere Herausforderung ist die insgesamt anhaltend hohe Zahl der Schutzsuchenden und Flüchtlinge und die Unvorhersehbarkeit des Zustroms. Dies führt insbesondere bei den nachfolgenden Verfahrensschritten – besonders bei der Feststellung der Schutzbedürftigkeit im Asylverfahren, das hier ebenfalls von UNHCR durchgeführt wird – zum Rückstau, der wiederum Unmut unter den betroffenen Flüchtlingen weckt und ein sorgfältiges Kommunikationsmanagement erfordert. Eine letzte Herausforderung, die ich hier nennen möchte, betrifft die Perspektivlosigkeit vieler Flüchtlinge in Ägypten. So ist der Zugang zu weiterführender Bildung in den meisten Fällen nicht gewährleistet und daher die Chance, einer legalen, qualifizierten Erwerbstätigkeit nachzugehen und selbst für einen ausreichenden Lebensunterhalt zu sorgen, insbesondere für Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten, stark eingeschränkt, was sie besonders anfällig für Armut, wirtschaftliche Abhängigkeit und Ausbeutung macht und ihre Weiterwanderung begünstigt.

Was war dein bisher schönster Moment beim UNHCR?

Es gibt viele schöne Momente im UNHCR-Arbeitsalltag – beispielsweise wenn man dazu beitragen konnte, dass eine seit Jahren fluchtbedingt getrennte Familie endlich wiedervereint ist, dass ein Flüchtling nach langwierigem Instanzenzug endlich auch als Flüchtling anerkannt wird und damit die ihm zustehende Unterstützung gewährt bekommt. Unter all diesen Momenten sind mir aber zwei in besonderer Erinnerung geblieben: Der Moment, als in Hannover-Langenhagen ein erstes Flugzeug mit irakischen Flüchtlingen landete, die Deutschland im Jahre 2009 im Ergebnis langen Werbens seitens UNHCR und Nichtregierungsorganisationen proaktiv aus der Krisenregion aufgenommen hatte, um ihnen in Deutschland eine Lebensperspektive zu ermöglichen. Inzwischen hat Deutschland dieses Verfahren ja konsolidiert und nimmt regelmäßig sogenannte Resettlement-Flüchtlinge auf. Und der Moment, als ich im Südsudan nach komplizierter Vorbereitung unter schwierigsten Bedingungen und nach mehreren gescheiterten Versuchen zum ersten Mal mit einem Team von Ernährungs-, Gesundheits-, Rechts- und Sozialexperten aufbrechen und einige Hundert Binnenvertriebene registrieren und ihnen so den Zugang zu bedarfsgerechter Unterstützung ermöglichen konnte.

 

UNHCR ist in 128 Ländern auf der ganzen Welt aktiv, in großen Städten oder abgelegenen und oft gefährlichen Orten. Gemeinsam arbeiten die Mitarbeiter von UNHCR, um vertriebenen Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Rund 88 Prozent arbeiten im Feld und helfen den Schutzbedürftigen unmittelbar vor Ort. Darunter auch einige Deutsche. Dieses Portrait ist Teil einer Interviewreihe, die deutsche MitarbeiterInnen und ihre Arbeit beim UNHCR vorstellt.