„Die größte Herausforderung ist das Ausmaß der humanitären Notlage, das bei weitem unsere finanziellen Mittel übersteigt.“
„Die größte Herausforderung ist das Ausmaß der humanitären Notlage, das bei weitem unsere finanziellen Mittel übersteigt.“
Name: Christian Langehenke, 31, aus Bitterfeld/Sachsen-Anhalt
Einsatzort: Sana’a, Jemen
Position: Associate Programme Officer
Bei UNHCR seit: 2013
Warum hast du dich für einen Job beim UNHCR entschieden?
Im Grunde wollte ich schon immer für die UN arbeiten, ohne eigentlich zu wissen, was das heißt. Nach dem Studium hatte ich die Chance, unterstützt vom DAAD, UNHCR in Kirgisistan kennenzulernen. Vor allem die direkte Arbeit mit Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und Binnenvertriebenen hat mich beeindruckt und so bin ich fast drei Jahre in Zentralasien geblieben. Danach war ich sozusagen infiziert und kann mir heute keine andere Arbeit mehr vorstellen.
Was macht UNHCR im Jemen?
Jemen ist die derzeit größte humanitäre Krise der Welt. Rund 22 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, das sind 75% der Bevölkerung. UNHCR unterstützt die knapp drei Millionen Menschen, die aufgrund des Konfliktes ihre Heimat verlassen mussten und innerhalb des Jemen geflohen sind. Die große Mehrheit – 89 Prozent - der Binnenvertriebenen leben schon mehr als ein Jahr von ihren Heimatorten entfernt. Die Hilfe besteht aus klassischen humanitären Gütern wie Matratzen, Decken, Kanistern und Haushaltsgegenständen und vermehrt als kosteneffiziente und innovative Alternative, die Bargeldhilfe, sogenannte Cash Based Interventions. Hier bekommen die Binnenvertriebenen statt eines standardisierten Pakets einen festgelegten Geldbetrag. Die Empfänger können so selbst entscheiden, was sie am dringendsten benötigen und ob sie das Geld für Nahrung, Medizin oder ihre Miete ausgeben. Sie sind dann auch besser geschützt und müssen nicht aus der Not heraus auf eine Mahlzeit am Tag verzichten, weil sie die Nahrung zum Beispiel gegen Brennstoff tauschen. Bargeldhilfe hat zudem einen positiven Effekt auf die lokale Wirtschaft und trägt zur Akzeptanz der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen in der Aufnahmegesellschaft bei. Sie ist in der Implementierung kostengünstiger als der großangelegte Import von Non-Food Items.
Ein wichtiger Bestandteil von UNHCRs Arbeit in Jemen sind unsere Maßnahmen zum Schutz von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen. Trotz der katastrophalen humanitären Lage gibt es Menschen, die vor Konflikten in ihren Heimatländern in den Jemen fliehen. Die Mehrheit der rund 280.000 Flüchtlinge kommt aus Somalia und Eritrea. Für sie stellt UNHCR diverse Hilfsleistungen bereit wie z.B. Zugang zu Bildung, kostenlose Gesundheitsfürsorge oder auch Kurse, die es ermöglichen perspektivisch ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Wir bieten zudem in vielen Teilen des Landes rechtliche Beratung und Hilfe für besonders schutzbedürftige Personen an, darunter ältere Menschen, Witwen und Minderjährige.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag von dir aus?
In Sana‘a arbeite ich meist von unserem Büro aus, treffe Partnerorganisationen, halte Telefonkonferenzen mit Geberländern ab und treffe mich mit Kollegen, um Hilfsprogramme zu planen und zu begleiten. Ich versuche aber so oft wie möglich das Büro zu verlassen und unsere Projekte im Feld zu besuchen, sofern es die Sicherheitslage zulässt. Das gibt mir die Möglichkeit, direkt zu sehen, ob unsere Ideen greifen, wo Verbesserungsbedarf besteht und was wir anders machen müssen. Auch treffe ich mich dann mit Menschen, die wir unterstützen, höre mir ihre Geschichten an und versuche daraus, neue Projektideen abzuleiten. Das ist wohl der schönste Teil der Arbeit.
Was sind die größten Herausforderungen in deiner täglichen Arbeit?
Die größte Herausforderung ist das Ausmaß der humanitären Notlage, das bei weitem unsere finanziellen Mittel übersteigt. Das bedeutet, dass das Geld nicht ausreicht, damit unsere Programme alle Bedürftigen erreichen. Zudem bedeutet der anhaltende Konflikt auch, dass die Not der Zivilbevölkerung immer größer wird und mehr Menschen fliehen müssen. Daher sind Gelder sowohl von ‚großen‘ Gebern wie der deutschen Bundesregierung als auch von Privatspendern wichtig. Die volatile Sicherheitslage macht es auch nicht immer einfach zu entscheiden, wo und wie wir am besten helfen können, ohne unsere Mitarbeiter zu gefährden. Daher rufen wir als Teil des sogenannten Humanitarian Country Teams der UN alle Konfliktparteien auf, internationales Recht einzuhalten und humanitäre Hilfe ungehindert passieren zu lassen. Nur eine politische Lösung des Konflikts kann die humanitäre Krise in Jemen nachhaltig beenden.
Was war dein bisher schönster Moment beim UNHCR?
Kurz vor Neujahr bin ich an einigen Stellen vorbeigefahren, an denen wir unser Bargeldhilfe-Programm umsetzen. In den Tagen zuvor hatten das Team und ich hart daran gearbeitet, Bargeldhilfen für über 100.000 Menschen als Winterzuschuss bereitzustellen. Temperaturen können hier im Jemen im Winter bis zu -5 Grad erreichen, daher war es dringend nötig, dass die Menschen schnell die Möglichkeit hatten, Decken und Kleidung zu kaufen. Auf dem Weg zum Flughafen sah ich dann, wie hunderte Menschen ihren Zuschuss abholten. Es war schön zu sehen, dass sich die Arbeit des Teams ausgezahlt hat und wir besonders notleidendende Menschen erreicht haben. Humanitäre Hilfe stellt selbstverständlich keine dauerhafte Lösung für diese Menschen da, aber sie ist für viele überlebenswichtig.
UNHCR ist in 128 Ländern auf der ganzen Welt aktiv, in großen Städten oder abgelegenen und oft gefährlichen Orten. Gemeinsam arbeiten die Mitarbeiter von UNHCR, um vertriebenen Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Rund 88 Prozent arbeiten im Feld und helfen den Schutzbedürftigen unmittelbar vor Ort. Darunter auch einige Deutsche. Dieses Portrait ist Teil einer Interviewreihe, die deutsche MitarbeiterInnen und ihre Arbeit beim UNHCR vorstellt.