„Man muss ständig verfolgen, was passiert. Und es passiert immer etwas.“
„Man muss ständig verfolgen, was passiert. Und es passiert immer etwas.“
Ich bin 1969 in Kroatien geboren, habe dann einige Jahre in Russland gelebt und bin mit 14 Jahren nach Landshut in Bayern gezogen. Damals konnte ich kein einziges Wort Deutsch. In knapp einem Jahre habe ich die Sprache aber so gut gelernt, dass ich dem Unterricht folgen konnte und schließlich auch einer der besten des Jahrgangs wurde. Nach meinem Abitur habe ich dann 1990 in Regensburg angefangen, Politikwissenschaft und Russisch zu studieren.
Parallel zum Studium habe ich auch kleinere Rollen am Stadttheater in Regensburg gespielt. Aus dieser Zeit habe ich einiges mitgenommen. Der sprachliche Ausdruck, aber auch die Fähigkeit zum Auftritt vor einem Publikum, sind mir auch heute als Pressesprecher bei UNHCR von Nutzen.
Nach meinem Magisterabschluss habe ich ein Praktikum am Center for Strategic and International Studies in Washington absolviert. Dort habe ich mich mit dem Kosovo-Konflikt beschäftigt, wo die Gewalt zu dieser Zeit eskalierte.
Ende 1998 kehrte ich nach Kroatien zurück und bekam eine Stelle im Bereich Public Affairs in der US-Botschaft. Das war dann der Beginn meiner Karriere in der Öffentlichkeitsarbeit.
Nach vier Jahren bei der Botschaft wechselte ich 2001 zum ersten Mal zu den Vereinten Nationen. Ich arbeitete fortan für das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien. Meine Hauptaufgabe bestand darin, der kroatischen Bevölkerung die Rolle und Bedeutung des Kriegsverbrechertribunals zu erklären. Das war damals, so kurz nach dem Krieg, ziemlich heikel und eine echte Herausforderung. Das Tribunal war damals auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens nicht sehr populär.
Anschließend habe ich in Zagreb das erste Mal für UNHCR als Pressesprecher gearbeitet. Das habe ich fünf Jahre sehr gerne gemacht, wollte dann aber noch einmal etwas ganz anderes machen und bin in die Privatwirtschaft gewechselt. Für einige Jahre habe ich bei der Generalvertretung eines großen Automobilkonzerns gearbeitet. Auch das hat mir großen Spaß gemacht.
Hast du während deiner Zeit in der Privatwirtschaft etwas gelernt, das dir bei UNCHR nützlich ist?
Auf jeden Fall! Ich habe eine ganz andere Denkweise kennengelernt, die mir bis heute hilft. Die Prozesse in der Privatwirtschaft sind sehr schnell und direkt. Man muss agil und kreativ sein, um ans Ziel zu kommen, und auch Networking ist sehr wichtig. All das und was ich über Verhandlungsführung und Management gelernt habe, kann ich auch heute noch anwenden. Durch die Finanzkrise wurde das Geschäft damals allerdings sehr schwierig, und ich habe dann zwei Jahre für die kroatische Regierung gearbeitet. Damals stand Kroatien kurz vor dem EU-Beitritt und ich habe an EU Programmen zur überregionalen Zusammenarbeit gearbeitet.
Was führte dich zurück zu UNHCR?
Im Jahr 2013 kam ein Angebot von UNHCR, dem ich nicht widerstehen konnte. Damals gab es ein Programm für die rund 74.000 Vertriebenen aus den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, die in Kroatien, Serbien, Montenegro und Bosnien & Herzegowina lebten und kein Dach über dem Kopf hatten.
Damals wusste niemand von diesem Programm, das größtenteils von der EU finanziert wurde, und ich habe echte Pionierarbeit geleistet, indem ich die Kommunikation in Gang gebracht habe. Danach war ich in Sarajevo für das Regionalbüro Südosteuropa tätig und habe die überregionale Kommunikation in den Ländern des Westbalkan koordiniert. Wenn es irgendwo eine Krise gab, bin ich hingefahren und habe das jeweilige Team unterstützt.
Ab 2015 kamen dann sehr viele Flüchtlinge aus Syrien über Griechenland in die Region. Das war das erste Mal, dass ich wirklich eine Ausnahmesituation erlebt habe. Da waren die Ankunftszahlen enorm hoch und ich war in Nord Mazedonien und in Serbien unterwegs und habe vor Ort gearbeitet. In den Jahren 2018/2019 habe ich auch einige Zeit mit Flüchtlingen (und Migranten) verbracht, an der Nordgrenze von Bosnien zu Kroatien. Viele lebten unter katastrophalen Bedingungen und es gab auch zahlreiche Berichte von Pushbacks. Diese Szenen, wo so viele Menschen auf so wenig Raum untergebracht waren, werde ich nie vergessen. In dieser Zeit habe ich auch Dutzende von Interviews den lokalen und internationalen Medien gegeben.
Im Herbst 2020 habe ich dann auch kurz das UNHCR Büro in Armenien unterstützt, als dort der Nagorno-Karabach-Konflikt ausbrach und zu Vertreibungen führte. Ein Jahr später ging es dann nach Äthiopien, wo ich bis heute tätig bin.
Wie würdest du deine heutige Arbeit als Pressesprecher in Äthiopien beschreiben?
Die Zeit ist sehr intensiv. Man muss ständig verfolgen, was passiert. Und es passiert immer etwas. Äthiopien ist ein riesiges Land mit über 120 Millionen Einwohnern, über 80 unterschiedlichen ethnischen Gruppen und mehr als einer Million Flüchtlingen. Auch für UNHCR ist Äthiopien eine der größten Operationen der Welt.
Im Grunde gibt es hier sogar drei unterschiedliche Vertreibungssituationen. Im Norden, in der Region Tigray, gab es in den letzten Jahren heftige Kämpfe und Massenvertreibungen. In den Südosten des Landes sind seit wenigen Monaten ungefähr 100.000 Menschen aus Somalia geflüchtet. Zuletzt ist die Gewalt im Sudan eskaliert, wodurch sich eine neue Fluchtbewegung in den Westen von Äthiopien entwickelt hat.
Unsere Aufgabe ist es, diese Vertreibungsbewegungen zu verfolgen, in Erfahrung zu bringen, was die Menschen dringend benötigen und wo die Not am größten ist. Mit diesem Wissen können wir aufklären und die Situation zum Beispiel für die Medien oder auch Geberländer und die breite Öffentlichkeit einordnen. Außerdem erklären wir, wie UNHCR hier konkret hilft, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Notunterkünften, Hilfsgütern, Bargeldhilfen oder auch durch Schutzdienste und Programme zur Bekämpfung von geschlechtsbezogener Gewalt.
Was sind die großen Herausforderungen in deiner Arbeit?
Aus Sicht eines Pressesprechers muss man leider feststellen, dass die mediale Aufmerksamkeit für die humanitäre Krise in Äthiopien nicht mehr so hoch ist, wie wir es uns wünschen. Andere Krisen, wie der Krieg in der Ukraine, sind in den Vordergrund gerückt. Insofern ist es wichtig für uns, proaktiv zu sein und Aufmerksamkeit für die Not der Vertriebenen zu schaffen.
Ein weiteres Problem ist die Unterfinanzierung. Wir erhalten schlichtweg nicht genügend Geld, um auf die katastrophale humanitäre Notlage vieler Flüchtlinge und Binnenvertriebenen so zu reagieren, wie es nötig wäre. Aktuell ist nur ein Viertel unseres Finanzierungsbedarfs gedeckt. An dieser Stelle muss ich jedoch die großzügige Unterstützung Deutschlands erwähnen, unserem zweitgrößten Geber in Äthiopien, aber auch weltweit. Darüber hinaus sind auch die Auswirkungen des Klimawandels in Äthiopien stark spürbar. Zunächst gab es eine sehr extreme Dürrephase, und als es dann schließlich anfing zu regnen, waren die Böden so vertrocknet, dass sie die Wassermassen nicht aufnehmen konnten, und es kam zu schweren Überschwemmungen.
Was verbindest du mit Äthiopien, mit dem Land und den Menschen nach den zwei Jahren, die du dort bist?
Das Land ist wahnsinnig interessant. Die Regionen sind so unterschiedlich, dass man manchmal das Gefühl hat, im selben Land auf einem ganz anderen Kontinent zu sein. Die Geschichte dieser Zivilisation ist faszinierend und die Erfahrungen, die ich hier machen darf und die Menschen, die ich hier treffe, das empfinde ich als unglaublich wertvoll. Das ist für mich der wahre Reichtum.
UNHCR ist in 135+ Ländern auf der ganzen Welt aktiv, in großen Städten oder abgelegenen und oft gefährlichen Orten. Gemeinsam arbeiten die Mitarbeitenden von UNHCR, um vertriebenen Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Rund 90 Prozent arbeiten im Feld und helfen den Schutzbedürftigen unmittelbar vor Ort. Dieses Porträt ist Teil einer Interviewreihe, die deutschsprachige Mitarbeitende und ihre Arbeit beim UNHCR vorstellt.