Global Trends Report: Gemeinsames Handeln Gebot der Stunde
Global Trends Report: Gemeinsames Handeln Gebot der Stunde
Durch den Krieg in der Ukraine, aber auch Konflikte in anderen Ländern, zum Teil verstärkt durch klimabedingte Faktoren, waren im vergangenen Jahr mehr Menschen als je zuvor aus ihrer Heimat vertrieben. Das geht aus dem jährlichen Bericht zu Flucht und Vertreibung hervor, den das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Mittwoch vorgelegt hat. UNHCR fordert darin sofortige gemeinsame Massnahmen gegen die Ursachen und Auswirkungen von Vertreibung.
Dem Bericht «Global Trends in Forced Displacement 2022» zufolge waren Ende vergangenen Jahres 108,4 Millionen Menschen durch Krieg, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen vertrieben. Das sind 19,1 Millionen Menschen mehr als im Jahr zuvor.
Der Trend bei der weltweiten Vertreibung zeigte in diesem Jahr keine Anzeichen einer Verlangsamung. Der Konflikt im Sudan hat neue Fluchtbewegungen ausgelöst und die Gesamtzahl der Vertriebenen damit bis Mai auf schätzungsweise 110 Millionen ansteigen lassen.
«Diese Zahlen zeigen uns, dass Konfliktparteien viel zu schnell einen Konflikt beginnen, ohne politischen Lösungen genügend Raum zu geben, und viel zu langsam sind, um Lösungen zu finden. Die Folgen sind Verwüstung, Vertreibung und Leid für jeden einzelnen der Millionen Menschen, die gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wurden», sagte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Filippo Grandi.
Von der Gesamtzahl der 108,4 Millionen Vertriebenen im vergangenen Jahr waren 35,3 Millionen Flüchtlinge, also Menschen, die eine internationale Grenze überquert haben, um Sicherheit zu suchen. Ein noch grösserer Teil – 62,5 Millionen Menschen oder 58 Prozent – waren innerhalb ihrer Heimatländer aufgrund von Konflikten und Gewalt vertrieben.
Der Krieg in der Ukraine war der grösste Faktor im Jahr 2022. Die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine stieg innerhalb eines Jahres von 27.300 auf 5,7 Millionen Ende 2022 - die schnellste Entwicklung einer Flüchtlingssituation seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die Berechnungen für die Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan lagen Ende 2022 deutlich höher als ein Jahr zuvor, da die Schätzungen für die in Iran lebenden Afghanen revidiert wurden, von denen viele bereits in den Jahren zuvor angekommen waren. Auch die Zahl der in Kolumbien und Peru lebenden Venezolaner, die zumeist als «andere Personen, die internationalen Schutzes bedürfen» («other people in need of international protection») eingestuft werden, wurde in dem Bericht nach oben korrigiert.
Die Zahlen bestätigen auch, dass die meisten Vertriebenen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen und nicht in den wohlhabenden Staaten Schutz gefunden haben. Auf die 46 am wenigsten wirtschaftlich entwickelten Länder entfallen zwar nicht einmal 1,3 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, dennoch haben sie mehr als 20 Prozent aller Flüchtlinge aufgenommen. Die Gelder für die zahlreichen Notsituationen und die Unterstützung der Aufnahmeländer blieben im vergangenen Jahr weit hinter dem Notwendigen zurück und fliessen auch 2023 trotz steigendem Bedarf nur schleppend.
«Menschen auf der ganzen Welt zeigen weiterhin eine aussergewöhnliche Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen, indem sie ihnen Schutz und Hilfe gewähren», sagte Grandi. «Aber wir brauchen viel mehr internationale Unterstützung und eine gerechtere Aufteilung der Verantwortung, gerade mit den Ländern, die die meisten Vertriebenen aufnehmen. Vor allem muss viel mehr getan werden, um Konflikte zu beenden und Hindernisse zu beseitigen, damit Flüchtlinge die Möglichkeit haben, freiwillig, sicher und in Würde nach Hause zurückzukehren.»
Während die Gesamtzahl der Vertriebenen weiter anstieg, zeigte der «Global Trends»-Bericht aber auch, dass Flüchtlinge nicht zum Exil verdammt sind. Immer wieder können viele freiwillig und sicher nach Hause zurückkehren und machen das auch. Im Jahr 2022 kehrten mehr als 339.000 Flüchtlinge in 38 Länder heim. Das waren zwar weniger als im Vorjahr, es gab aber bedeutende freiwillige Rückkehrbewegungen in den Südsudan, nach Syrien, Kamerun und Côte d’Ivoire. Gleichzeitig kehrten im vergangenen Jahr 5,7 Millionen Binnenvertriebene zurück in ihre Heimat, vor allem in Äthiopien, Myanmar, Syrien, Mosambik und der Demokratischen Republik Kongo.
Ende 2022 waren schätzungsweise 4,4 Millionen Menschen weltweit staatenlos oder mit ungeklärter Staatsangehörigkeit, zwei Prozent mehr als Ende 2021.
Der «Global Trends»-Bericht wird sechs Monate vor dem zweiten Globalen Flüchtlingsforum veröffentlicht. Zu dem Treffen in Genf werden im Dezember eine Reihe von Akteuren zusammenkommen, um neue Lösungen für zur Flucht gezwungene Menschen und ihre Aufnahmeländer zu finden und Solidarität mit ihnen zu zeigen.