Landminen und improvisierte Sprengsätze stellen tödliche Risiken für Vertriebene dar
Landminen und improvisierte Sprengsätze stellen tödliche Risiken für Vertriebene dar
Seit Anfang 2020 ist es zu einer steigenden Zahl tödlicher Zwischenfälle gekommen, bei denen auch Flüchtlinge und Binnenvertriebene getötet wurden. Minen, Blindgänger und der häufige Einsatz von improvisierten Sprengsätzen bedeuten sowohl für die aufnehmende Bevölkerung als auch für Flüchtlinge und Binnenvertriebene eine zunehmende Bedrohung.
Während das eigentliche Angriffsziel von zahlreichen regierungs- und staatsfeindlichen bewaffneten Gruppen zumeist die Sicherheitskräfte sind, werden immer mehr Zivilist*innen getötet und verstümmelt.
Besonders betroffen sind Tschad und Nigeria. So wurden in einem Flüchtlingslager im Osten des Tschad am 24. Juni vier Flüchtlingskinder zwischen neun und zwölf Jahren getötet und drei weitere schwer verletzt als sie versuchten, einen Blindgänger zu öffnen.
Im Nordosten Nigerias wurden im Jahr 2019 rund 230 Menschen durch improvisierte Sprengsätze getötet und 300 weitere verletzt. Mehr als 15 solcher Zwischenfälle wurden bislang im Jahr 2020 gemeldet.
Vor Ort befindliche Teams von UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, bestätigen auch die steigende Gefahr in der Sahelzone. Im Niger wurden seit Jahresbeginn bei fünf Zwischenfällen mindestens fünf Flüchtlinge und Vertriebene getötet und viele weitere verletzt.
Am 21. Januar 2020 hoben beispielsweise zwei Jugendliche – ein Einheimischer und ein befreundeter Flüchtling aus Burkina Faso – eine nicht detonierte Rakete auf. Sie hielten die Waffe fälschlicherweise für ein Spielzeug und versuchten sie mit einer Axt zu öffnen. Die Rakete explodierte, tötete den einheimischen Jugendlichen und verletzte den Flüchtling schwer.
In der zu Niger gehörenden Daffa-Region fuhren im Februar und März nahe der Stadt Bosse jeweils Vans über Sprengsätze. Die Explosionen töteten vier Menschen, darunter drei Schüler*innen. Unter den zahlreichen Verletzten war auch ein zehn Monate altes Baby.
In Mali sind landesweit mehr als die Hälfte der Opfer von Landminen und improvisierten Sprengsätzen Zivilist*innen. Mindestens 42 Zivilist*innen wurden in 82 Zwischenfällen zwischen Januar und Mai diesen Jahres getötet, vor allem in den Regionen Mopti, Gao und Kidal. Die Verbindungsstrecken zwischen dem zentral gelegenen Mopti und den nördlichen Regionen sind besonders betroffen und gefährlich.
In Burkina Faso fuhren am 6. Juni nahe dem Flüchtlingslager Mentao zwei Flüchtlinge mit einem Auto über einen improvisierten Sprengsatz. Beide wurden nach Djibo gebracht, wo ihre Verletzungen behandelt wurden.
Die Sahelzone steht einer der weltweit am schnellsten wachsenden Vertreibungskrisen gegenüber. Millionen Menschen sind vor willkürlichen Angriffen bewaffneter Gruppen auf Zivilist*innen geflohen. Dazu zählen standrechtliche Hinrichtungen, der weitverbreitete Einsatz von Vergewaltigungen als Waffe gegen Frauen und Attacken auf staatliche Institutionen, darunter Schulen und Gesundheitseinrichtungen.
Die Verbreitung von Sprengsätzen fordert nicht nur eine hohe Zahl an Todesopfern, Verletzungen und Folgeschäden wie z.B. psychische Probleme. Auch der Zugang zu Weideland, Feldern, Bauernhöfen, Brennholz und gemeinschaftlicher Infrastruktur wird dadurch gefährdet. Ebenso beeinträchtigt werden davon humanitäre Hilfe und Entwicklungstätigkeiten.
UNHCR unterstützt Verletzte und die Familien der Opfer. Zudem helfen wir bei der Bestattung der Verstorbenen und bieten psychosoziale Unterstützung für Überlebende, auch für Kinder. Ausserdem arbeiten wir mit den Gemeindeleiter*innen zusammen, um das Bewusstsein für jene Gefahren zu erhöhen, die von Blindgängern ausgehen.
Dringende Anstrengungen sind notwendig, um den Gefahren und den Folgeerscheinungen von Landminen zu begegnen und das Bewusstsein für die entsetzliche Bedrohung durch Minen, aus dem Krieg zurückgebliebene Explosivkörper und improvisierte Sprengsätze zu erhöhen. Es besteht eine absolute Notwendigkeit für Regierungen, Hilfsorganisationen und Konfliktparteien, die Minenräumung auszuweiten.
Minen stellen auch eine zusätzliche Gefahr für Flüchtlinge und Binnenvertriebene dar, die vor Gewalt und Verfolgung fliehen und dadurch nicht nach Hause zurückkehren können. UNHCR betrachtet Minen und Blindgänger als wesentliches Hindernis für eine sichere und würdevolle Rückkehr, da sie auch Jahre nach Ende des Konflikts noch tödliche Gefahren für heimkehrende Flüchtlinge und Binnenvertriebene darstellen.
UNHCR betont die Wichtigkeit von breit angelegter und umfassender Unterstützung für alle Opfer im Sinne der „United Nations Policy on Mine Victim Assistance“. Diese „United Nations Policy“ empfiehlt, dass die Hilfe für Landminenopfer Fallerfassung, medizinische Versorgung sowie physische, psychosoziale und andere notwendige Rehabilitationsmassnahmen beinhalten soll.