Sichere Fluchtwege für eine bessere psychische Gesundheit
Sichere Fluchtwege für eine bessere psychische Gesundheit
Flucht bedeutet oft Gefahr und Trauma – besonders, wenn Familien getrennt werden oder lebensgefährliche Routen wählen müssen. Hier setzt das sogenannte Resettlement an: Von UNHCR identifizierte besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können und in einem Erstaufnahmeland wie beispielsweise dem Libanon keine Integrationsperspektive haben, erhalten die Möglichkeit, in einem Drittland sicher und legal ein neues Leben zu beginnen. Auch die Schweiz beteiligte sich in Vergangenheit an solchen Programmen, obwohl das aktuelle Resettlement-Programm seit April 2023 pausiert ist.
Psychische Gesundheit und Resettlement: Eine Studie in der Schweiz
Sichere Fluchtwege wirken sich positiv auf die psychische Gesundheit von Flüchtlingen aus und unterstützen ihre Integration. Dies belegt eine Studie der Universität Lausanne aus dem Jahr 2023. Untersucht wurde die mentale Verfassung syrischer Flüchtlinge in der Schweiz, wobei zwei Gruppen verglichen wurden: jene, die über Resettlement kamen, und jene, die eigenständig fliehen und in der Schweiz den Asylprozess durchlaufen mussten. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Flüchtlinge, die durch Resettlement in die Schweiz gelangten, sind psychisch stabiler.
Für die Forscherin Nahema El Ghaziri, die an der Studie beteiligt war, liegt der Grund auf der Hand: Familien können gemeinsam einreisen und müssen weder gefährliche Fluchtrouten nehmen noch Trennungen ertragen. Trotz der Belastungen vor der Flucht zeigte sich bei Resettlement-Familien, dass ihre psychische Gesundheit mit der von Menschen in Europa und den USA vergleichbar ist.
„Das liegt vor allem am engen Familienzusammenhalt“, erklärt Nahema. Eltern können ihren Kindern in der neuen Umgebung Halt geben, und der Schulbesuch bietet den Kindern Struktur und Stabilität. Nahema erinnert sich an eine Erzählung: „Eine Familie sagte mir, dass es für ihr Kind der glücklichste Tag war, als es wieder zur Schule gehen konnte.“
Nahema betont, dass Familien im Resettlement-Programm zudem als anerkannte Flüchtlinge ankommen. Im Gegensatz dazu sind Personen, die eigenständig in die Schweiz geflohen sind und den Asylprozess durchlaufen, oft monatelang im Ungewissen und dadurch einem hohen Depressionsrisiko ausgesetzt.
Der schwierige Neuanfang
Die psychische Gesundheit bleibt auch nach der Ankunft ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden der Flüchtlinge. Hier beginnt für Flüchtlinge eine neue Herausforderung: das Zurechtfinden in einem neuen soziokulturellen Umfeld und einer neuen Sprache. Viele Flüchtlinge erleben die Schweizer Gesellschaft als weniger verbunden, was schnell zu einem Gefühl von Isolation führen kann. Besonders im ersten Jahr gelingt es vielen Resettlement-Flüchtlingen noch, ihre psychische Stabilität zu bewahren. Doch mit der Zeit nimmt diese häufig ab, vor allem, wenn soziale Kontakte fehlen. „Das Gefühl, nicht zur Gesellschaft dazuzugehören, ist eines der schwierigsten Gefühle“, betont Nahema.
Isolation und fehlende Unterstützung erschweren so die Integration. Mütter haben es oft schwer, an Sprachkursen teilzunehmen, da es nicht genug Kinderbetreuungsangebote gibt. Männer wiederum sprechen seltener über ihre Belastungen, wodurch ihre Bedürfnisse weniger Beachtung finden. Nahema unterstreicht, wie wichtig ein geregelter Alltag und sozialer Austausch sind, um Isolation zu verhindern.
Nachhaltige Unterstützungsmassnahmen und starke Integrationsstrukturen sind daher notwendig, um Flüchtlingen das Ankommen in der Gesellschaft zu erleichtern. Programme zur Förderung sozialer Netzwerke, gesellschaftlicher Teilhabe und der Arbeitsmarktintegration können helfen, das Gefühl der Isolation zu verringern und das langfristige Wohlbefinden zu verbessern.
Die zentrale Rolle der Familie
Nahemas wichtigste Erkenntnis ist die Bedeutung der Familie als Unterstützungssystem. Viele Flüchtlinge leiden unter Schuldgefühlen und Ängsten, weil sie in Sicherheit sind, während ihre Angehörigen weiterhin Gefahren ausgesetzt sind. Wenn jedoch die Sicherheit der nächsten Angehörigen gewährleistet ist, fällt es Flüchtlingen leichter, sich auf die Integration zu konzentrieren. „Wer ständig um die Sicherheit seiner Familie bangt, ist gedanklich oft abwesend“, erklärt Nahema. Das Resettlement-Programm leistet hierbei einen wertvollen Beitrag, indem es Familien gemeinsam umsiedelt und so die traumatischen Erlebnisse der Flucht abmildert. Dadurch haben umgesiedelte Flüchtlingsfamilien in der Schweiz die Chance, zusammen ein neues Leben aufzubauen.
Die Forschung zeigt eindeutig: Sichere und legale Fluchtwege wie das Resettlement-Programm verringern die psychische Belastung von Flüchtlingen und fördern so ihre Integration. Gleichzeitig entlastet Resettlement die Erstaufnahmeländer. Deshalb empfiehlt UNHCR eine baldige Wiederaufnahme des schweizerischen Settlement-Programms.