Flüchtlinge werden Schwimmtrainer: „Die Freude der Kinder ist die Energie für uns“
Flüchtlinge werden Schwimmtrainer: „Die Freude der Kinder ist die Energie für uns“
Jennifer bibbert, aber sie lächelt. Kein Wunder, denn gleich nimmt sie etwas entgegen, wofür sie hart gekämpft hat: Ihr erstes Schwimmabzeichen. „Danke“, sagt die Zehnjährige schüchtern, aber sie strahlt. Genau wie Vida, ihre Schwimmlehrerin. „Es macht mich immer so glücklich, wie sehr die Kinder sich freuen“, sagt sie. Vida ist als Flüchtling aus Iran nach Deutschland gekommen. Und sie ist Schwimmtrainerin. Ihr und einigen anderen Flüchtlingen ist es zu verdanken, dass mehr Berliner Kinder schwimmen lernen können. So wie Jennifer. Und Hunderte andere. „Ich war Sportlehrerin in Iran“, sagt Vida. Sie lächelt und spricht leise, aber ihre Stimme ist fest und entschlossen. Sie liebt Iran. Ihre Fingernägel sind in grün, weiß und rot lackiert, der Flagge des Landes, in dem sie geboren wurde und aufwuchs.
„Aber in meinem Land kann man nicht frei sein. Erst recht nicht als Frau“
Sie will gleichberechtigter Mensch sein. „Es tat weh. Aber ich musste fliehen.“ In Deutschland traf sie auf Sven Spannekrebs. Der Schwimmer wurde bekannt als Trainer von Yusra Mardini, dem syrischen Mädchen, dass sich und andere syrische Flüchtlinge auf einem kleinen Schlauchboot in Sicherheit bringen konnte, in dem sie ins Wasser sprang und schwamm. Und die schließlich die Olympia-Teilnahme im olympischen Flüchtlingsteam schaffte. Zwei mal. Heute ist Mardini UNHCR-Botschafterin und gerade läuft auf Netflix der Film an, der ihre Geschichte erzählt. Im Film wird Spannekrebs von Matthias Schweighöfer gespielt.
„Ich arbeite schon lange in der Flüchtlingshilfe und noch länger als Schwimmtrainer“, sagt Spannekrebs. „Schwimmen ist ein großartiger Sport und eigentlich soll jedes Kind schwimmen können. Aber es fehlen die Lehrer.“ Zugleich gibt es Flüchtlinge, die nach einer Aufgabe suchen. „Da war es nicht schwer, die Punkte zu verbinden“, sagt der Berliner.
Zusammen mit dem Berliner Schwimmverband und dem Landessportbund Berlin erarbeitete der 42-Jährige ein Konzept, Flüchtlinge zu Schwimmlehrern auszubilden und sprach Flüchtlinge an. So wie Mohamad. „Ich schwimme, seit ich drei bin. Ich gehöre einfach ins Wasser“, sagt der 33-jährige Syrer. Auch er legte einen großen Teil seiner Flucht über das Mittelmeer schwimmend zurück. Als er dann in Deutschland von Spannekrebs‘ Idee hörte, zog er extra von Augsburg nach Berlin. Ganz einfach war die Ausbildung nicht, sagt er, und es ist auch nicht leicht, mit Kindern zu arbeiten.
„Aber es macht so unglaublich viel Spaß. Die Kinder kämpfen und sie strengen sich so sehr an, sie lachen aber auch ganz viel. Und das macht mir dann den ganzen Tag gute Laune.“
„Die Freude der Kinder ist die Energie für uns“, sagt auch Vida. Sie führt eine Stange durch das Wasser, der ein vielleicht Achtjähriger hinterherschwimmt. Er kämpft und man sieht, wie sehr er sich anstrengt. Aber er schafft es und bekommt am Ziel ein Strahlen von Vida. Und strahlt zurück. „Natürlich brauchen wir Geduld“, sagt die Iranerin. „Aber das kommt von ganz allein, wenn man sieht, wie sehr sich die Kinder freuen.“
„Es geht hier ja nicht nur um Gesundheit und Bewegung“, sagt Spannekrebs. „Es ist einfach wichtig, dass jedes Kind schwimmen kann, weil es vielleicht das Leben rettet.“ Doch mehr und mehr Schulen haben Probleme, entsprechende Trainer zu finden. Dabei ist Schwimmunterricht in vielen Bundesländern Pflicht. „Dass wir hier ausbilden, ist also nicht nur für die Flüchtlinge gut, sondern vor allem für die Schulen und in erster Linie natürlich für die Kinder selbst. Ich hoffe, dass andere Bundesländer das kopieren.“
Das Land Berlin hat den Wert schon erkannt – im nächsten Jahr wird das Projekt wieder aufgelegt. Vida, Mohamad und ihre Kollegen können nur bestätigen, dass es für alle Beteiligten ein Gewinn ist. „Wir lernen beide“, sagt Mohamad. „Ich bringe den Kindern Schwimmen bei. Naja, und die Kinder korrigieren mich dann manchmal, wenn ich ein deutsches Wort falsch ausspreche.“
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.