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Afghanische Flüchtlingsärztin ermutigt Frauen und Mädchen zum Träumen

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Afghanische Flüchtlingsärztin ermutigt Frauen und Mädchen zum Träumen

11 Oktober 2021
Dr. Saleema Rehman im Operationssaal mit Kolleg*innen im Holy Family Hospital in Rawalpindi, Pakistan während ihres letzten Ausbildungsjahres. © UNHCR/Roger Arnold

Vor zwei Jahrzehnten war Saleema Rehman eines der wenigen Flüchtlingsmädchen, das an der Barakat-Grundschule in der Stadt Attock westlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad unterrichtet wurden. Jetzt, im Alter von 29 Jahren, steht sie in einem weißen Arztkittel vor einer Klasse von etwa 30 jungen Flüchtlingsmädchen an ihrer alten Schule.

„Wer von euch will Ärztin werden?", fragt sie lächelnd.

Dutzende von Händen schießen in die Luft. „Es ist toll, dass ihr Ärzte werden wollt. Lernt fleißig und gebt niemals auf", rät sie ihnen.

Saleema hat ihren eigenen Rat befolgt, seit sie ein kleines Kind war und ihre Familie begann, sie „Doktor Saleema" zu nennen.

Der Spitzname war eine Anspielung auf ihre schwierige Geburt in einem Flüchtlingslager in Swabi in der pakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Saleemas Mutter hatte Mühe, medizinische Hilfe zu bekommen, und es wurde befürchtet, dass Saleema nicht überleben würde.

Ihr Vater Abdul schwor sich, dass er, falls das Kind überleben sollte, dafür sorgen würde, dass es eine Ausbildung erhält und Medizin studiert.

Er hielt sich an dieses Versprechen und unterstützte seine Tochter über Jahre hinweg bei der Schulausbildung, obwohl er dafür von seiner eigenen Community kritisiert wurde. Viele von ihnen missbilligten die Vorstellung, dass ein Mädchen Ambitionen außerhalb des Elternhauses und der Ehe haben könnte.

„Früher war ich oft das einzige Mädchen auf den Schulbänken", erinnert sich Saleema. „Ich weiß noch, wie meine Community die Entscheidung meines Vaters, ein Mädchen zur Schule zu schicken, missbilligte. Damals begann ich zu verstehen, wie wichtig es ist, etwas aus mir zu machen, ein Beispiel zu geben und den jungen Mädchen Mut zum Träumen zu machen."

Saleema erfüllte sich Anfang dieses Jahres ihren eigenen Lebenstraum, als sie in Attock eine Ordination eröffnete, um Flüchtlingsfrauen und einheimischen Frauen zu helfen, die nur schwer Zugang zu leistbarer medizinischer Versorgung haben.

Dies war der Höhepunkt jahrelanger Studien und Bemühungen, die nicht nur die Überwindung kultureller Normen erforderten. Auch ihr Status als Flüchtling warf Hindernisse auf.

„Als Kind war ich mir meines Flüchtlingsstatus nicht bewusst", sagt sie. „Aber ich erfuhr davon, als meine Klassenkameraden an Hochschulen zugelassen wurden, ich aber nicht, weil ich ein Flüchtling bin."

Saleema bewarb sich zwei Jahre lang, bis sie den einzigen Studienplatz erhielt, der jährlich für einen Flüchtling reserviert war, um in der pakistanischen Provinz Punjab Medizin zu studieren. Später spezialisierte sie sich auf Gynäkologie, nachdem sie für eine Assistenzzeit am Holy Family Hospital in Rawalpindi, ebenfalls im Punjab, ausgewählt wurde.

Im Jahr 2020, Saleemas letztem Ausbildungsjahr zur Gynäkologin, wurde das Holy Family Hospital zum COVID-19-Krankenhaus erklärt, und sie fand sich an der vordersten Front der Pandemie wieder, wo sie infizierte Frauen behandelte, die gerade entbunden hatten. Viele ihrer Patientinnen waren Flüchtlinge und Einheimische, die sich mit dem Virus angesteckt hatten, weil sie als Tagelöhnerinnen außerhalb des Hauses arbeiteten und es sich nicht leisten konnten, sich zu isolieren.

Saleemas Traum, eine eigene Praxis zu eröffnen, um den Bedürftigsten in ihrer Gemeinde eine kostenlose Behandlung anbieten zu können, scheiterte erneut an ihrem Status als Flüchtling. Seit ihrem ersten Medizin-Abschluss Anfang 2015 war es ihr nicht möglich gewesen, eine medizinische Zulassung zu erhalten, aber ihre Entschlossenheit zahlte sich schließlich aus.

„Ich habe mich immer wieder beworben, um die Zulassung zu erhalten", sagt sie. „Im Januar 2021 erhielt ich sie nach jahrelanger medizinischer Ausbildung und Weiterbildung zur Fachärztin. Das war wie ein Wendepunkt in meinem Leben."

Sie eröffnete die Praxis in Attock im Juni dieses Jahres und behandelt nun viele Flüchtlingspatient*innen, die sonst lange Wege zum nächsten Krankenhaus hätten zurücklegen und von jemandem begleitet werden müssen, der für sie dolmetschen konnte.

„Die Eröffnung der Ordination war ein sehr glückliches Ereignis für uns", freut sich Anila, eine von Saleemas afghanischen Flüchtlingspatientinnen. „Viele Afghan*innen können sich keine teuren Kliniken leisten, aber Doktor Salееma hilft uns. Es wäre gut, wenn mehr von unseren Mädchen studieren und Ärztinnen werden würden."

In ihrer Klinik wirbt Saleema auch für Hygienemaßnahmen und räumt mit Mythen über den COVID-19-Impfstoff auf. In diesem Jahr begrüßte sie die Bemühungen der pakistanischen Regierung, Flüchtlinge in ihre COVID-19-Impfkampagne einzubeziehen, da sie glaubt, dass niemand vor dem Virus sicher ist, solange nicht alle sicher sind.

„Ich möchte beweisen, dass ein Mädchen alles sein kann".

Heute bewirken Saleema‘s Geschichte und ihre Arbeit einen Wandel. Einige der schärfsten Gegner der Mädchenbildung in ihrer Gemeinde rufen Saleema an, um sich über die Gesundheit ihrer Frauen, Schwestern und Töchter beraten zu lassen. Viele schicken ihre Töchter jetzt zur Schule, in der Hoffnung, dass sie in ihre Fußstapfen treten können.

„Sie ist eine Wegbereiterin. Sie hat es geschafft, die erste Ärztin in ihrer Gemeinde zu werden. Durch die Verwirklichung ihres Traums, den Schwächsten - Flüchtlingen und Pakistanern gleichermaßen - medizinische Versorgung zu bieten, ist Saleema ein lebendiger Beweis dafür, wie Frauen zur sozioökonomischen Entwicklung ihrer Gemeinden beitragen können", sagte Noriko Yoshida, UNHCR-Vertreterin in Pakistan.

Für ihren herausragenden Dienst und ihr Engagement für ihre Gemeinde und einige der ärmsten Menschen in Pakistan wurde Saleema als regionale Gewinnerin für Asien für den Nansen Flüchtlingspreis des UNHCR ausgewählt, einen prestigeträchtigen jährlichen Preis, der diejenigen ehrt, die außergewöhnliche Anstrengungen unternommen haben, um gewaltsam vertriebenen oder staatenlosen Menschen zu helfen.

Mit dem Preis wird das starke Beispiel gewürdigt, das Saleema für andere Frauen und Mädchen gegeben hat, sowie ihr Engagement für ihre Patienten, auch während der COVID-19-Pandemie.

„Ich möchte beweisen, dass ein Mädchen alles erreichen kann, wenn es die entsprechenden Möglichkeiten erhält", sagt Saleema.

„Ob ich nun in Pakistan oder anderswo bin, ich möchte der Menschheit mit ganzem Herzen dienen."