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„Die Situation ändert sich ständig. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.“

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„Die Situation ändert sich ständig. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.“

19 Juni 2023
Stefanie ist in dem UNHCR-Landesbüro in Damaskus eingesetzt. Dort unterstützen UNHCR-Mitarbeitende die Instandsetzung von Unterkünften, bieten Rechtsberatung und -hilfe an, und versorgen Menschen mit Hilfsmitteln, die sie zum Überleben benötigen.

Könntest Du Dich bitte kurz vorstellen?

Mein Name ist Stefanie Gross. Ich komme ursprünglich aus Hessen, bin aber seit langer Zeit in Franken zuhause. Ich habe ursprünglich eine Ausbildung zur Übersetzerin und Dolmetscherin gemacht. Nach einigen Jahren als Freiberuflerin habe ich dann umgesattelt und ein Grundstudium der Politikwissenschaften und internationalen Beziehungen in Schottland absolviert, danach ein Aufbaustudium im Bereich Konflikt- und Friedensforschung. Anschließend habe ich ein Jahr bei einer internationalen NGO in den USA und zwei Jahre – zuerst für eine internationale NGO und dann für das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) – in Nepal gearbeitet.

2008 bin ich dann über das von der Bundesregierung geförderte, sogenannte Junior Professional Officer-Programm der Vereinten Nationen bei UNHCR gelandet. Dort war ich in der Zentrale in Genf in der Rechtsabteilung eingesetzt, in einem Team, das für die Umsetzung von Asylverfahren zuständig ist, die gemäß dem Mandat von UNHCR vor allem in Ländern durchgeführt werden, die nicht Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention sind oder kein eigenes Asylverfahren durchführen. 2015 wurde ich an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgeordnet. Dort unterstützte ich den Aufbau eines Qualitätssicherungssystems sowie eines bundesweiten Systems zur Asylverfahrensberatung von Schutzsuchenden. Seit zwei Jahren bin ich nun für UNHCR in Syrien tätig.

Was macht UNHCR in Syrien?

UNHCR ist bereits seit Anfang der 1990er Jahre in Syrien tätig, um die Regierung bei der Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen – damals vor allem aus dem Irak aber auch aus vielen anderen Ländern – zu unterstützen. Wer heute an Syrien denkt, denkt an Flüchtlinge aus Syrien, die auch nach Deutschland gekommen sind. Syrien ist aber auch selbst Aufnahmeland von Flüchtlingen, und hat über die letzten Jahrzehnte Hunderttausenden Irakerinnen und Irakern und Personen anderer Nationalitäten Asyl gewährt. Aufgrund der Fluchtbewegungen innerhalb und außerhalb Syriens hat UNHCR mit dem Beginn der Krise in Syrien im Jahr 2011 die Präsenz und Arbeit im Land signifikant verstärkt. Neben dem Landesbüro in Damaskus unterhält UNHCR Feldbüros in sieben anderen Städten im ganzen Land. In Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Programmen der Vereinten Nationen, NGOs und anderen Partnern unterstützt UNHCR Asylsuchende und Flüchtlinge aus anderen Ländern sowie syrische Binnenvertriebene und Rückkehrende.

 Wie würdest Du Deine Arbeit konkret beschreiben?

Ich bin im UNHCR-Landesbüro in Damaskus eingesetzt, wo ich für Fragen der Unterstützung und Koordination der freiwilligen Rückkehr von Syrerinnen und Syrern, insbesondere von Binnenvertriebenen, zuständig bin. Während viele Millionen Syrerinnen und Syrer außerhalb ihres Landes Zuflucht gesucht haben, insbesondere in den angrenzenden Ländern wie Türkiye, dem Libanon, Jordanien und dem Irak, sind Millionen von Menschen auch innerhalb Syriens vertrieben worden. Gemeinsam mit Partnern unterstützen wir diese Binnenvertriebene vor allem mit Blick auf Schutzanliegen und -fragen sowie mit Hilfsgütern und bei der Unterbringung. Konkret unterstützen wir die Instandsetzung von Unterkünften, bieten Rechtsberatung und -hilfe an, und versorgen Menschen mit Kochutensilien, Plastikplanen, Decken und anderen Hilfsmitteln, die sie zum Überleben benötigen. In allen Aktivitäten wird stets ein besonderes Augenmerk auf Personen mit besonderen Bedarfen gelegt, wie zum Beispiel unbegleitete Kinder, Menschen mit schweren Erkrankungen oder Behinderungen, ältere Menschen oder von Frauen geführte Haushalte. In der Umsetzung arbeiten wir eng mit Partnerorganisationen zusammen.

Ich liebe meine Arbeit, weil ich die unmittelbaren Auswirkungen unserer Unterstützungsleistungen auf die Menschen vor Ort sehen kann. Der Konflikt in Syrien ist einer der komplexesten und weitreichendsten auf der Welt. Die Arbeit umfasst daher verschiedenste Dimensionen, darunter humanitäre und rechtliche Aspekte, aber auch Fragen von Schutz und Sicherheit vor Ort, die für die Rückkehr von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen wichtig sind. Die Situation ändert sich ständig. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

 

Mit welchen Herausforderungen sind geflüchtete Frauen und Mädchen in Syrien konfrontiert und welche Maßnahmen ergreift UNHCR, um sie besser zu schützen?

Krisen und Konflikte haben stets bedeutende geschlechtsspezifische Auswirkungen, so auch in Syrien. Viele Frauen müssen ohne männliche Familienmitglieder auskommen, sind allein für die Versorgung der Familie verantwortlich, die neben Kindern und Eltern oft noch weitere Familienangehörige umfasst. Die sehr schwierige humanitäre und wirtschaftliche Lage in Syrien, die durch den Krieg in der Ukraine und jetzt durch die schweren Erdbeben in Türkiye und Syrien noch einmal verschärft wurde, haben negative Bewältigungsstrategien weiter zugenommen, darunter beispielsweise geschlechtsspezifische Gewalt, Kinderehen, und vermehrter Schulabbruch und Kinderarbeit.

In Gemeinschaftszentren bietet UNHCR durch Partner verschiedenste Unterstützung an, insbesondere auch für Frauen und Kinder. Zu den Aktivitäten gehören Angebote zur Information und Unterstützung zum Schutz von Kindern und in Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie Einzelfallverweisung an Rechtsberatungs- und Gesundheitsstellen. UNHCR und seine Partner bieten auch Rechtshilfe an, zum Beispiel bei der Registrierung von Geburten und Eheschließungen. Eine wichtige Komponente der Arbeit der Gemeinschaftszentren ist die Einbeziehung und Stärkung von Gemeinschaften, einschließlich Frauen und Kindern. So unterstützt UNHCR die Bildung von Frauengruppen und Kinderforen, die sich für die Rechte von Frauen und Kindern einsetzen. Natürlich werden auch Männer und Jungen in die Aktivitäten einbezogen. Für Kinder werden außerdem Freizeit- und Bildungsaktivitäten angeboten, sowie auch Nachhilfestunden. An die Gemeindezentren sind rund 120 mobile Teams sowie 2,800 Freiwillige (darunter Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Rückkehrende), angegliedert, die in Kontakt mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind und als erste Anlaufstelle dienen. Sie informieren über Dienstleistungen und Angebote, bieten erste Unterstützung und verweisen Einzelfälle an die Gemeinschaftszentren zur weiteren Unterstützung.

Was ist die größte Herausforderung, die Du in Deiner Arbeit für UNHCR erlebt hast?

Eine Herausforderung ist und bleibt, die richtige Balance zwischen Arbeitsleben und Privatleben zu finden. Je nach Einsatzort verschmelzen Arbeit und Freizeit, da das Arbeitspensum in der Regel hoch ist, und man zum Beispiel mit Kolleginnen und Kollegen zusammenlebt. Hinzu kommen neben sehr schönen Eindrücken auch sehr belastende Erlebnisse und, je nach Einsatzort, eine angespannte Sicherheitslage, die auch den eigenen Bewegungsradius einschränken kann. Es ist wichtig, einen Ausgleich zu finden, der die Möglichkeit zum Abschalten und Erholen bietet und konsequent umzusetzen.

 Was ist die beste Erfahrung, die Du bei Deiner Arbeit für UNHCR gemacht hast?

Immer wieder das Zusammentreffen mit Menschen, die UNHCR unterstützt, vor allem, wo diese Unterstützung das Leben der Betroffenen maßgeblich positiv beeinflusst hat. Darüber hinaus sind meine Kolleginnen und Kollegen, sowie Mitarbeitende von Partnerorganisationen das Beste. Insbesondere in Ländern wie Syrien, wo die Arbeitssituation herausfordernd ist, bilden sich in der Regel sehr enge Kontakte, die oft über Jahre oder Jahrzehnte bestehen bleiben. Und immer wieder fasziniert mich der Blick auf einen Tisch – bei Gesprächen oder beim Abendessen – an dem Menschen aus 25 oder mehr Nationen zusammensitzen und versuchen, gemeinsam die beste Unterstützung für die Menschen vor Ort zu erarbeiten.

UNHCR ist in 128 Ländern auf der ganzen Welt aktiv, in großen Städten oder abgelegenen und oft gefährlichen Orten. Gemeinsam arbeiten die Mitarbeitende von UNHCR, um vertriebenen Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Rund 88 Prozent arbeiten im Feld und helfen den Schutzbedürftigen unmittelbar vor Ort. Darunter auch einige Deutsche. Dieses Portrait ist Teil einer Interviewreihe, die deutsche Mitarbeitende und ihre Arbeit beim UNHCR vorstellt.