Was macht UNHCR in Venezuela?
Was macht UNHCR in Venezuela?
Wie hat sich dein beruflicher Werdegang entwickelt?
Mein Name ist Lukas Brunnhölzl und ich arbeite als Associate Protection Officer in San Cristóbal, Venezuela.
Ich komme ursprünglich aus München, habe Humangeographie an der KU Eichstätt und Internationale Studien/Friedens- und Konfliktforschung an der Goethe Universität Frankfurt und der University of California, San Diego studiert.
Neben dem Studium und danach habe ich viele Jahre ehrenamtlich mit Vertriebenen gearbeitet. Mein Bedürfnis, einen Beitrag in diesem Bereich zu leisten, habe ich dann zum Beruf gemacht und in verschiedenen Organisationen gearbeitet, die geflüchtete Menschen bei der Integration in Deutschland unterstützen oder humanitäre Hilfe im Ausland leisten. Hierbei hatte ich Einblick in verschiedenste Aufgabenfelder, wobei mein Fokus jedoch immer auf dem Thema Schutz von Flüchtlingen lag.
Da ich im Rahmen des vom Auswärtigen Amt angebotenen Junior Professional Officer-Programms zu UNHCR gekommen bin, konnte ich im Vorfeld in Deutschland an einer intensiven Vorbereitungsphase teilnehmen, die viele nützliche Trainings enthielt. Außerdem ist die vom Auswärtigen Amt geförderte Vernetzung mit den anderen JPOs innerhalb von UNHCR, aber auch in anderen Organisationen sehr hilfreich und fördert das gemeinsame Lernen und Wachsen innerhalb des UN-Systems.
Wie würdest Du Deine Arbeit beschreiben?
Als Associate Protection Officer im Büro in San Cristóbal nahe der Grenze zu Kolumbien bin ich für die Umsetzung von UNHCRs Arbeit im Bereich Schutz in drei Bundesstaaten verantwortlich. Dies beinhaltet eine Vielzahl von Aufgaben:
Zuerst einmal bin ich für die Führung eines sechsköpfigen Teams verantwortlich, welches unsere Arbeit im Bereich Schutz gemeinsam mit Partnerorganisationen umsetzt. Dieser Teil der Arbeit macht mir besonders viel Spaß und meine Kenntnisse und Erfahrung aus der Führung früherer Teams sind mir jetzt von großem Nutzen.
Außerdem koordiniere ich die Arbeit in verschiedenen Aufgabenbereichen der Organisation auf lokaler Ebene und stelle sicher, dass alle wichtigen Akteure eingebunden sind, alle Prozesse strukturiert sind und wir unsere Ziele erreichen.
Dazu kommt die Vernetzung mit Partnerorganisationen, staatlichen Akteuren und anderen UN-Organisationen, um Kooperationen und Synergien zu fördern.
Daneben bringe ich Ideen für die Optimierung der Arbeitsabläufe und die Umsetzung der nationalen Strategie auf lokaler Ebene ein und vertrete meinen Vorgesetzen in seiner Abwesenheit als Leitung des Büros.
Da sich die Palette der Aufgabenbereiche von UNHCR aktuell stark verändert und erweitert, sehe ich meine wichtigste Aufgabe darin, mein Team in der Umsetzung dieser neuen Strategie vor Ort zu unterstützen.
Was macht UNHCR in Venezuela?
UNHCR ist seit 1991 in Venezuela tätig und arbeitet aktuell in 5 Kernbereichen:
- Unterstützung für Flüchtlinge und Binnenvertriebene: UNHCR fördert den Zugang zu Rechten für Flüchtlinge, Asylsuchende und Venezolanerinnen und Venezolaner, die von der schwierigen humanitären Situation betroffen sind.
- Arbeit mit lokalen Gemeinden: UNHCR arbeitet Hand in Hand mit den Gemeinden und unterstützt sie dabei, Schutzrisiken zu identifizieren und Lösungen zu finden.
- Humanitärer Reaktionsplan: UNHCR leitet zwei Arbeitsgruppen zu Koordinierung der humanitären Unterstützung in Venezuela, das Cluster für Schutz und das Cluster für Unterkünfte, Energie und Hilfsgüter.
- Katastrophenhilfe: Im Rahmen des Humanitären Reaktionsplans für Venezuela unterstützt UNHCR den venezolanischen Staat bei der Prävention und Reaktion auf Naturkatastrophen.
- Unterstützung für Rückkehrende: Viele Personen, die nach Venezuela zurückkehren, stehen beim Versuch, ihr Leben wieder aufzubauen, vor großen Herausforderungen. UNHCR unterstützt sie durch Projekte zur Förderung des sozialen Zusammenhalts und der Integration in den Arbeitsmarkt.
Was ist die größte Herausforderung, die Du in Deiner Arbeit für UNHCR erlebt hast?
Die größte Herausforderung ist es, die vielen verschiedenen Aufgabenbereiche gegeneinander zu priorisieren. Außerdem kommen regelmäßig unerwartete neue Themen hinzu. Da muss man gut organisiert sein und gleichzeitig flexibel bleiben. Oder wie wir vor kurzem gemeinsam im Team festgestellt haben: „Gut planen, um Kapazitäten fürs Improvisieren zu schaffen.“
Was ist die beste Erfahrung, die Du bei Deiner Arbeit für UNHCR gemacht hast?
Die beste Erfahrung ist (immer wieder), wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Partnerorganisationen vor Ort über ihre Arbeit spreche. Dann werde ich daran erinnert, dass Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit sowie das Bedürfnis, andere, die unverschuldet in Not geraten sind, zu unterstützen, Leute auf der ganzen Welt in einer gemeinsamen Mission vereinen. Das zeigt einem den Sinn der eigenen Arbeit und gibt sehr viel Motivation jeden Tag sein Bestes zu geben.
Wie beeinflusst der Klimawandel schon heute Binnenvertriebene und Flüchtlinge in Venezuela?
In Venezuela gibt es aufgrund der geographischen Lage leider sehr häufig Naturkatastrophen. Hierbei handelt es sich meist um starke Regenfälle und die dadurch ausgelösten Überschwemmungen und Schlammlawinen. Diese treten zwar seit jeher in der Regenzeit auf, haben sich aber durch den Klimawandel merklich verstärkt. Außerdem gibt es, ausgelöst durch den Klimawandel, zunehmend auch außerhalb der Regenzeit starke Regenfälle. Diese haben vor allem in Hanglagen und bei selbstgebauten Häusern verheerende Folgen für die lokale Bevölkerung. Um diese negativen Auswirkungen zu verringern, baut UNHCR aktuell die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen in diesem Bereich aus und investiert verstärkt in die Prävention von Naturkatastrophen.
Mit welchen Herausforderungen sind geflüchtete Frauen und Mädchen in Venezuela konfrontiert und welche Maßnahmen ergreift UNHCR, um sie besser zu schützen?
In Venezuela sind Frauen und Mädchen vielen Schutzrisiken ausgesetzt, darunter häusliche Gewalt, Menschenhandel und geschlechtsspezifische Gewalt. Beim Grenzübertritt in andere Länder werden diese Risiken noch verschärft, da viele Vertriebene informelle Grenzübergänge benutzen, die unsicher sind und von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden.
UNHCR reagiert auf diese Bedürfnisse, indem es mit Partnern und UN-Organisationen wie dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammenarbeitet, um die Risiken von Menschenhandel und geschlechtsspezifischer Gewalt zu verringern und über Risiken aufzuklären. Unter anderem bietet UNHCR auch vorübergehende Unterkünfte für vertriebene Frauen an, die Gewalt erlebt haben.
Weiterhin unterstützt UNHCR Asylbewerberinnen oder Flüchtlinge, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, mit Rechtsbeistand und führt Advocacy-Aktivitäten durch, um das Bewusstsein der Behörden für diese Fälle zu erhöhen.
UNHCR ist in 137 Ländern auf der ganzen Welt aktiv, in großen Städten oder abgelegenen und manchmal gefährlichen Orten. Gemeinsam arbeiten die Mitarbeitenden von UNHCR, um vertriebenen Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Mehr als 90 Prozent arbeiten im Feld und helfen den Schutzbedürftigen unmittelbar vor Ort. Darunter auch einige Deutsche. Dieses Portrait ist Teil einer Interviewreihe, die deutsche Mitarbeitende und ihre Arbeit bei UNHCR vorstellt.