UNHCR warnt vor Gleichgültigkeit und Untätigkeit angesichts weiter steigender Vertreibungszahlen
UNHCR warnt vor Gleichgültigkeit und Untätigkeit angesichts weiter steigender Vertreibungszahlen
Die Zahl der Vertriebenen ist weltweit erneut gestiegen und hat ein historisches Hoch erreicht. Laut dem am Donnerstag vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR veröffentlichten „Global Trends Report“ waren mit Stand Mai dieses Jahres 120 Millionen Menschen weltweit gewaltsam vertrieben – das ist mehr als die Bevölkerungszahl von Deutschland, Österreich, der Schweiz und der Niederlande zusammen. Der jährliche UNHCR-Bericht zu Flucht und Vertreibung zeigt, dass neue und sich verändernde Konflikte wie auch das Unvermögen, bestehende Krisen zu lösen, zum zwölften Mal in Folge zu einem Anstieg der Vertreibungszahlen geführt haben.
Vor allem der verheerende Konflikt im Sudan treibt die Zahlen in die Höhe: Seit April 2023 wurden mehr als 7,1 Millionen Menschen innerhalb ihres Landes vertrieben, weitere 1,9 Millionen flohen über die Grenzen des Sudan. Insgesamt 10,8 Millionen Sudanesen waren bis Ende des vergangenen Jahres vertrieben, einschließlich derjenigen, die bereits früher geflohen waren. In der DR Kongo und in Myanmar waren im vergangenen Jahr Millionen von Menschen durch heftige Kämpfe innerhalb des Landes vertrieben. Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA schätzt, dass bis Ende letzten Jahres bis zu 1,7 Millionen Menschen (75 Prozent der Bevölkerung) im Gazastreifen gewaltsam vertrieben wurden, wobei viele palästinensische Flüchtlinge mehrfach fliehen mussten. Syrien ist mit 13,8 Millionen Vertriebenen innerhalb und außerhalb des Landes nach wie vor die größte Vertreibungskrise der Welt.
„Hinter diesen drastischen und steigenden Zahlen verbergen sich unzählige menschliche Tragödien. Dieses Leid muss die internationale Gemeinschaft dazu bringen, dringend zu handeln und die Fluchtursachen zu bekämpfen”, sagte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Filippo Grandi. „Es ist höchste Zeit, dass die Kriegsparteien die grundlegenden Bestimmungen des Kriegsrechts und des Völkerrechts insgesamt respektieren. Ohne eine bessere Zusammenarbeit und gemeinsame Anstrengungen zur Bewältigung von Konflikten, Menschenrechtsverletzungen und der Klimakrise werden die Vertreibungszahlen weiter steigen und noch mehr Leid und kostspielige humanitäre Maßnahmen fordern.“
Der zahlenmäßig höchste Anstieg wurde bei der Gruppe der Binnenvertriebenen verzeichnet. Mit etwa 68,3 Millionen Menschen, die vor Konflikten geflohen und im eigenen Land geblieben sind, wurde nach Angaben des Internal Displacement Monitoring Centre ein Anstieg um fast 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren verzeichnet.
Die Zahl der Flüchtlinge und anderer Personen, die internationalen Schutzes bedürfen, ist auf 43,4 Millionen gestiegen (Flüchtlinge unter dem Mandat von UNHCR und UNRWA). Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge findet in Nachbarländern ihrer Herkunftsländer Schutz. Rund 75 Prozent aller Flüchtlinge halten sich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf, also in Ländern, die zusammen weniger als 20 Prozent des Welteinkommens erwirtschaften.
Im aktuellen Bericht finden sich auch neue Analysen zur Klimakrise und ihren unverhältnismäßig großen Auswirkungen auf Vertriebene.
Einige positive Entwicklungen gab es laut „Global Trends Report“ im Jahr 2023 bei Rückkehr und Resettlement: Weltweit konnten im vergangenen Jahr mehr als fünf Millionen Binnenvertriebene und eine Million Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Resettlement, die Härtefallaufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, konnte 2023 ebenfalls mehr Menschen helfen, insgesamt waren es beinahe 160.000.
„Flüchtlinge – und die Gesellschaften, die sie aufnehmen – brauchen Solidarität und Unterstützung. Sie können einen Beitrag zur Gesellschaft leisten und tun dies auch, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen“, sagte UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi. „Im vergangenen Jahr sind Millionen Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt, das ist ein wichtiger Hoffnungsschimmer. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Wir haben gesehen, dass Länder wie Kenia bei der Inklusion von Flüchtlingen eine Vorreiterrolle spielen, aber es braucht mehr solches Engagement.“