Berliner Paar wird vom Gastgeber zum Elternersatz
Berliner Paar wird vom Gastgeber zum Elternersatz
BERLIN, Deutschland – Manuela und Jörg Buisset wussten, dass sie helfen müssen als sie im vergangenen Sommer die hunderttausenden Flüchtlinge sahen, die in ihrer Heimatstadt Berlin ankamen.
Die Bilder in den Nachrichten zeigten Menschenschlangen auf der Straße, einige ohne Unterkunft. Die Buissets hatten gerade ihre moderne Souterrain-Wohnung renovieren lassen und wollten sie vermieten.
Stattdessen meldeten sie sich beim Berliner Flüchtlingsrat und boten ihre Wohnung Flüchtlingen zur Unterkunft an.
Einige Wochen später erhielt Manuela (54) einen Anruf. Eine Familie bräuchte eine Bleibe. Ahmed (28), seine Frau Nourhan (20) und ihre zweijährige Tochter Alin waren gerade erst aus Syrien angekommen. Sie hatte zwar Gutscheine für Motelübernachtungen bekommen, aber nichts war mehr frei.
Manuela hätte nicht damit gerechnet, dass sie eine Familie aufnehmen würde. „Wir hätten eine alleinreisende Frau gewollt, aber in so einer Situation sagst du nicht ‚Nein‘“, erinnert sie sich.
Zusammen mit Jörg (51) holte sie Ahmed und seine Familie ab. Ihre Habseligkeiten passten in zwei Plastiktüten.
„Es war eine seltsame Begegnung“, erinnert sich Manuela. „Ahmed war sehr unsicher und schüchtern. Wir dachten er wäre stur. Er schaute uns nie in die Augen und wir fanden das ziemlich unhöflich während er dachte, dass es beleidigend wäre uns in die Augen zu schauen, da er uns nicht kannte. Später sagte er mir mal, dass er in dieser Situation komplett verloren war.“
Die Buissets richteten die Souterrain-Wohnung für die Familie her und aus einer zehntägigen Notlösung wurde ein Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Etwas mehr als ein Jahr ist es nun her, dass Ahmed mit Frau und Kind einzog, aber beide Familien sind glücklich, geben aber zu, dass es Zeit brauchte, um sich gegenseitig kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen.
„Wir sind so glücklich hier“, sagt Nourhan, die im Juli dieses Jahres ihr zweites Kind, Laith, zur Welt brachte. „Als Manuela für zehn Tage nach Paris fuhr, konnte ich kaum ohne sie leben. Sie ist wie meine Mutter. Sie ist so gut zu uns.“
Während Norhans Schwangerschaft begleitete Manuela sie zu allen ärztlichen Untersuchungen.
„Ich war nie verrückt nach Babys, aber dieser kleine Kerl ist so süß“, sagt Manuela. „Ich war mit Nourhan im Krankenhaus als er geboren wurde und bin mit ihr immer zum Arzt gegangen. Ich wollte nicht, dass sie allein ist oder Angst hat. Sie ist wie meine Tochter.“
Jeden Abend bringt Nourhan syrisches Essen hoch zu ihren deutschen Gastgebern.
Nourhan und Ahmed, die nicht mit vollem Namen genannt werden möchten, sind aus dem syrischen Quneitra, einer kleinen Stadt nahe der Golanhöhen. Ahmed war Lastwagenfahrer und lernt nun fünf Stunden täglich Deutsch. Nourhan kümmert sich um die Kinder, aber möchte gern Friseurin werden.
Sie träumen davon nach Syrien zurückkehren und verfolgen die Nachrichten über ihre Heimat. Als die Staats- und Regierungschef sich im vergangenen November zu Friedenverhandlungen trafen, haben die beiden schon ihre Koffer gepackt.
„Es ist mehr als Sympathie“, sagt Manuela. „Zuerst hatte ich Angst, aber nun mögen einander sehr, sehr gern.“