Weltweit erstmals mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht
Weltweit erstmals mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht
Genf/Wien - Während die Zahl der Asylsuchenden in Österreich weiter deutlich sinkt, hat das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR 2018 weltweit zum ersten Mal mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht gezählt.
Der jährliche UNHCR-Statistik-Bericht „Global Trends“ zeigt, dass rund 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Das sind 2,3 Millionen mehr als ein Jahr zuvor - und doppelt so viele wie vor 20 Jahren.
Zum Vergleich: Die Zahl der weltweit Vertriebenen übersteigt die der EinwohnerInnen Frankreichs oder Großbritanniens deutlich.
Insgesamt sind die Zahlen außerdem konservativ angenommen, vor allem, weil das Ausmaß der Krise in Venezuela nur teilweise abgebildet wird. Mittlerweile haben, laut Aufnahmeländern, rund vier Millionen VenezolanerInnen das Land verlassen und Venezuela zählt mittlerweile zu den größten Vertreibungskrisen. Obwohl die Mehrheit der Geflüchteten internationalen Flüchtlingsschutz braucht, haben bis jetzt erst rund eine halbe Million Menschen um Asyl angesucht.
„Die Daten unterstreichen, dass die Zahl der vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehenden Menschen langfristig steigt“, sagte UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi. „Obwohl die Sprache, wenn es um Flüchtlinge und MigrantInnen geht, oft die Gesellschaft spaltet, sehen wir auch fantastische Beispiele von Großmut und Solidarität, gerade von Gemeinschaften, die selbst schon einer großen Zahl von Flüchtlingen Schutz gewähren. Wir sehen auch beispielloses Engagement von neuen AkteurInnen, wie Entwicklungshilfeorganisationen, der Privatwirtschaft und von Einzelnen. Sie spiegeln nicht nur den Geist des ‚Globalen Paktes für Flüchtlinge‘ wider, sondern leben ihn auch.“ Grandi sagte weiter: „Auf diesen positiven Beispielen müssen wir aufbauen und unsere Solidarität für die vielen Tausenden unschuldigen Menschen, die jeden Tag vertrieben werden, verdoppeln.“
Die insgesamt 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht setzen sich aus Flüchtlingen, Asylsuchenden und Binnenvertriebenen zusammen. Rund 25,9 Millionen sind Flüchtlinge, also Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus ihrem Land geflohen sind. Das ist ein Plus von 500.000 Personen. Darin enthalten sind 5,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge unter dem Mandat des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Zu den Flüchtlingen kommen 3,5 Millionen Asylsuchende, also Menschen, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde. Die größte Gruppe sind mit 41,3 Millionen Binnenvertriebene, also Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind.
In Österreich bietet sich – ebenso wie in Deutschland und den meisten EU-Staaten – ein anderes Bild: Die Zahl der Asylanträge ist 2018 erneut gesunken und liegt bei 13.746 Anträgen, 2017 waren es 24.735 Anträge. Die Asylanträge in Österreich bewegen sich somit auf einem ähnlichen Niveau wie vor zehn Jahren.
Die Zahl der neu vertriebenen Menschen weltweit überschreitet weiterhin die Zahl jener Geflüchteten, für die langfristige Lösungen gefunden werden können. Für Flüchtlinge ist das häufig die Möglichkeit, sicher, freiwillig und in Würde nach Hause zurückkehren zu können. Andere Lösungen sind Integration im Aufnahmeland oder Resettlement in einen Drittstaat.
Vergangenes Jahr konnten nur 92.400 Flüchtlinge von Resettlement profitieren, das sind weniger als sieben Prozent der Flüchtlinge, die aus Sicht von UNHCR dringend einen Resettlement-Platz brauchen. Rund 593.800 Flüchtlinge konnten nach Hause zurückkehren, während rund 62.600 die Staatsbürgerschaft ihres Aufnahmelandes verliehen bekamen.
„Für jede Flüchtlingssituation, wie lange sie auch dauert und wo immer sie auch ist, muss der Fokus auf Lösungen liegen und darauf, jene Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die Flüchtlingen für eine Rückkehr im Weg stehen“, so Grandi.
„UNHCR arbeitet permanent an diesen komplexen Aufgaben, aber es ist auch gleichzeitig die Verpflichtung aller Staaten, zusammenzukommen und an einem Strang zu ziehen. Das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.“
Acht Schlüsselfakten aus dem „Global Trends“-Report
KINDER: Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind (jünger als 18 Jahre). 111.000 Flüchtlingskinder sind von ihren Familien getrennt.
KLEINKINDER: Allein Uganda meldet 2.800 geflüchtete Kinder, die jünger als sechs Jahre alt und allein oder von ihren Eltern getrennt sind.
URBANITÄT: Flüchtlinge leben deutlich öfter (61 Prozent) in Städten als auf dem Land.
REICH&ARM: Reiche Länder haben im Schnitt 2,7 Flüchtlinge pro 1.000 EinwohnerInnen aufgenommen, Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen rund 5,8 Flüchtlinge pro 1.000 EinwohnerInnen. Die ärmsten Länder der Erde beherbergen ein Drittel der Flüchtlinge weltweit.
FLUCHT INS NACHBARLAND: Etwa 80 Prozent der Flüchtlinge haben in einem direkten Nachbarland ihres Herkunftslandes Schutz gefunden.
DAUER: Etwa vier von fünf Flüchtlingen sind schon vor mindestens fünf Jahren vertrieben worden. Jede/r Fünfte ist sogar schon seit 20 Jahren oder länger Flüchtling.
Den gesamten Bericht finden Sie hier: Global Trends-Report