Flüchtlinge begrüßen Wiens Besucher im magdas Hotel
Flüchtlinge begrüßen Wiens Besucher im magdas Hotel
In der österreichischen Hauptstadt bietet das Hotel magdas EntdeckerInnen, GlobetrotterInnen und AbenteurerInnen eine weltoffene, multikulturelle Erfahrung.
„Guten Abend, Ma‘am. Willkommen zurück im magdas Hotel. Wir haben Sie wieder im Zimmer 112 untergebracht. Werden Sie auch bei uns frühstücken?“
Das Frühstück ist im Zimmerpreis zwar nicht inkludiert, ich melde mich aber trotzdem an. Wissend, dass das von größtenteils ehemaligen Flüchtlingen geleitete Hotel, ein reich gefülltes Frühstücksbuffet mit Gerichten aus Europa, dem Mittleren Osten und Afrika anbietet.
„Seien Sie aufgeschlossen und entdecken Sie etwas Einzigartiges“, ist das Motto des Hotels. Ein Aufenthalt im magdas ist ungewöhnlich, lehrreich und noch dazu preiswert. Das Hotel bietet eine neue, moderne und vor allem multikulturelle Erfahrung, abseits österreichischer Traditionen.
Das magdas, in dem sich vor seinem Umbau ein Pflegeheim befand, liegt in Sichtweite des Wiener Riesenrads im Prater. Es wurde 2015 eröffnet und beschäftigt 10 Hotelfachleute und 20 ehemalige Flüchtlinge aus 16 verschiedenen Ländern, die täglich GlobetrotterInnen und EntdeckerInnen bei sich begrüßen.
„Ich bin seit Anfang an hier, … Ich half beim Umbau der Zimmer. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.“
Das magdas ist ein Tochterunternehmen der Caritas, die das Pflegeheim früher führte. Das Hotel muss sich selbst finanzieren, ohne das eigentliche Ziel, nämlich Benachteiligten zu helfen, aus den Augen zu verlieren. Es verfügt über 88 Zimmer zu Preisen ab 62 Euro pro Nacht und bekommt keine öffentlichen Gelder, die nicht auch anderen ähnlichen Unternehmen zur Verfügung stehen.
„Unsere Eröffnung im Sommer 2015 fiel direkt mit der Flüchtlingskrise zusammen“, erzählt die Vorstandsvorsitzende Gabriela Sonnleitner. „Motivierte und arbeitswillige Menschen kamen zusammen, als der Arbeitsmarkt nach ArbeitnehmerInnen suchte. Das passiert nicht oft, vor allem in der Gastronomie, wo der Einsatz von Qualitätspersonal unumgänglich ist.“
Das Hotel beschäftigt ehemalige Flüchtlinge, denen Asyl in Österreich gewährt wurde. Erwartet wird, dass sie zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache haben. „Es ist okay, wenn sie bei manchen Fähigkeiten noch Defizite haben, aber wir ermutigen sie diese zu verbessern“, erklärt Sonnleitner.
An der Rezeption erlebe ich die Höflichkeit und Kompetenz von Omid Sharif, einem 25-jährigen Afghanen, der anfangs die Nachtschichten im magdas übernommen hat. Er machte seine Arbeit so gut, dass er zum stellvertretenden Leiter der Rezeption befördert wurde. Ich nehme meinen Schlüssel und ziehe mich in mein blau dekoriertes Zimmer mit rotem Samtsessel und gestricktem Lampenschirm zurück.
Jedes Zimmer hat seinen eigenen Stil. Mit begrenztem Budget und noch aus dem Pflegeheim stammenden Möbeln und Armaturen wurde von Designern eine künstlerische Atmosphäre geschaffen. Kästen wurden zu Bänken zerschnitten und alte Türen wurden als Spiegel aufgehängt. Originell sind auch die umfunktionierten Gepäckträger aus alten österreichischen Zügen. Im Erdgeschoss befinden sich ein gemütliches Café und eine Bibliothek, die zur Entspannung oder zu geselligen Events einladen.
Beim Aufwachen höre ich den Staubsauger draußen auf dem Korridor. Toita Monsarowa, die 2004 aus dem vom Krieg zerrissenen Tschetschenien geflohen ist, war von Beginn an als Reinigungspersonal im magdas-Hotel beschäftigt.
„Ich bin seit dem Umbau mit dabei“, sagt sie. „Ich habe dabei geholfen, die Zimmer zu räumen und ein paar Sachen zu reparieren. Ich polierte zum Beispiel die Gepäckträger aus den Zügen, sie waren ganz schwarz vor lauter Schmutz.“
Monsarowa, die als Konditorin in Grozny arbeitete, hat jetzt ein neues Leben. „Im Hotel arbeite ich fünf Tage die Woche“, erzählt sie. „Außerdem habe ich eine Wohnung. Einer meiner Söhne arbeitet und der andere geht noch zur Schule. Das Leben geht seinen gewohnten Gang“.
Im Frühstücksraum führt mich Sherahmad Razi, 32, aus der Provinz Faryab in Afghanistan, zu einem sonnigen Platz am Fenster. Er kam über den Iran, die Türkei und den Balkan nach Österreich, wo er seit acht Jahren lebt. In Afghanistan war er Schweißer.
Er sagt, dass die Arbeit in einem Hotel zwar eine große Veränderung für ihn darstellt, es ihm aber nichts ausmacht, eine andere Tätigkeit auszuüben. Bevor er nach Österreich kam, war er es gewohnt, länger zu schlafen. Jetzt beginnt er um 6 Uhr morgens mit der Arbeit. „Ich mag den Kontakt mit den Gästen und es ist gut seinen Lebensunterhalt zu verdienen“, erklärt Razi.
In seiner Freizeit spielt er gerne Fußball und Billard und geht an der Donau spazieren. Manchmal macht er sich auch Sorgen um seine Heimat und hat Schwierigkeiten sein neues Leben richtig zu schätzen.
„Meine Eltern leben in Afghanistan an der turkmenischen Grenze, wo sich der Krieg vor der Haustür abspielt. Meine Mutter ist zudem krank. Wenn es gerade kein Problem gibt, dann ist alles in Ordnung für mich, aber wenn meine Eltern krank sind oder so, mache ich mir Sorgen.“
Kurz bevor er Afghanistan verließ, heiratete er seine Frau Lina. Seit acht Jahren hat er sie nicht mehr gesehen und hofft sie nach Österreich nachholen zu können.
Beim Buffet nehme ich mir Müsli mit exotischen Früchten, Eierspeis, Couscoussalat, arabisches Brot und Hummus. All diese Köstlichkeiten genieße ich bei einem starken Wiener Kaffee mit Milch.
Segun Prince, ein 45-jähriger ehemaliger Flüchtling aus dem Benin, hat den Couscous zubereitet. Er ist einer von drei Afrikanern, die in der Hotelküche arbeiten. Er machte seine neue Arbeit im Hotel gut.
„Im Benin war ich Schneider“, erzählt er. „Meine alte Arbeit hat mir viel Freude bereitet, aber ich mag auch meinen neuen Job in der Küche. Ich lerne Gäste aus der ganzen Welt kennen. Ich frage sie, ob sie ihr Essen genossen haben.“
2002 verließ Prince den Benin und kam über Libyen nach Europa. Er trat die gefährliche Reise über das Mittelmeer an. „Es gab keine Hoffnung in Afrika“, sagt er. „Als das Pflegeheim umgebaut wurde, riefen sie uns (Flüchtlinge) dazu auf mitzuhelfen und ich half Betten und Kästen aus dem Gebäude zu räumen – das war sehr aufregend. „Ich habe Deutsch gelernt und nehme noch Unterricht. Vielleicht bekomme ich eines Tages die Chance als Koch oder Manager zu arbeiten.“
An der Rezeption übernimmt Sharif, der Englisch, Deutsch sowie drei afghanische Sprachen beherrscht, diverse Aufgaben. Er kam noch vor der Flüchtlingskrise 2015 im Alter von 14 Jahren nach Wien.
„Mein Vater war ein afghanischer Regierungsbeamter im Exil und befand sich schon in Österreich als ich kam“, erklärt er, bevor er abbricht, um ein Telefonat anzunehmen.
„Ich habe immer davon geträumt, Pilot zu werden oder eine Lehrstelle im IT-Bereich zu bekommen. Dann aber begann ich, hier Nachschichten zu übernehmen. Es war ziemlich langweilig und anstrengend.“ Er bricht ab, um einem Gast den Weg zu erklären.
Ich gebe ihm meinen Schlüssel und er mir die Rechnung.
„Vielen Dank für Ihren Aufenthalt bei uns, Ma’am. Bis zum nächsten Mal in Wien.“